Transformationen des Körpers

Uraufführung von „Wolfsmilch“ von Amanda Miller und Diplomarbeiten der Palucca Schule Dresden

Dresden, 07/04/2010

Eine Uraufführung oder Gastspiele mit Werken von Amanda Miller hat es offenbar bislang in Dresden noch nicht gegeben, und auch ihre spezielle Bewegungssprache, die Besonderheiten ihrer eigenwilligen Erzählweise sind dem hiesigen Tanzpublikum wohl kaum vertraut. Dabei ist die aus North Carolina/USA stammende Tänzerin, Choreografin, Ballettchefin in Deutschland längst eine bekannte Größe; sie tanzte an der Deutschen Oper Berlin, beim Ballett Frankfurt – William Forsythe machte sie zur Hauschoreografin. 1992 gründete Amanda Miller die Pretty Ugly Dance Company, leitete von 1997 bis 2004 das Ballett Freiburg Pretty Ugly und war bis zum Sommer 2009 Direktorin von Pretty Ugly Tanz Köln.

Nun hat sie in Dresden mit dem 2002 begründeten Palucca Tanz Studio die eigens dafür entstandene Choreografie „Wolfsmilch“ erarbeitet, und die Uraufführung fand jetzt im Großen Saal vom Festspielhaus Hellerau statt. Leider nur mit einer einzigen Aufführung. Erst Anfang Mai gastieren die Dresdner mit zwei weiteren Vorstellungen dieses Stückes in Paris, und ein Ausschnitt daraus wird zur Matinee der Palucca Schule Dresden – Hochschule für Tanz am 27. Juni in der Semperoper zu sehen sein.

Der Titel „Wolfsmilch“, ergänzt vom botanischen Namen „Euphorbia lathyris“, lässt zwar auch Interpretationen in Hinblick auf die giftige Pflanzenart zu, doch mehr noch scheint die Verwandlungsfähigkeit, „Vielgestaltigkeit“ des Menschen assoziiert. Erklärtermaßen geht es da um die Gestalt des Lykaon, König von Arkadien, aus der griechischen Mythologie. Doch dieser Spur muss man in der Choreografie mit Studierenden der Absolventenklasse im Studiengang Tanz nicht zwangsläufig folgen, und es erscheint auch kein zorniger Gottvater Zeus, um Lykaon in einen Wolf zu verwandeln. Amanda Miller schickt die sieben jungen Tänzer quasi auf die Suche nach sich selbst, bringt Formen des Gruppenverhaltens ins Spiel, das Einwirken auf andere.

Und sie bezieht auch Sprache mit ein, aber so, dass man diese als eine Form des Nachdenkens, der Konfrontation erfahren soll, weniger im Verstehen der Worte. Die bemerkenswerten Verwandlungen geschehen deutlich in der Bewegung, füllen quasi den Raum aus, manifestieren sich im Aufbegehren des Ichs, in veränderten Haltungen, der Beobachtung des eigenen Körpers. Die Tänzer scheinen – auch dann, wenn sie sich nicht berühren – mit unsichtbaren Fäden verbunden, und manchmal ist es die Metamorphose einer Hand, der Blick zum Nahestehenden, die andere Körperlichkeit, um zu erahnen, wie sehr jeder mit kaum erklärbaren Transformationen befasst ist.

Was aber besonders fasziniert und die eigentliche Spannung der Aufführung ausmacht, ist die Art und Weise, mit welch sensibler Musikalität gänzlich unspektakulär eine Geschichte erzählt wird, die doch auch irgendwie keine ist. Wie nicht den Worten vertraut wird, sondern jenen, die da auf der Bühne sind. So unverfälscht wie möglich (von den Kleidern der Frauen mal abgesehen), authentisch und ermutigend. Da ist ein Weg, eine gemeinsame Sprache zu erkennen, und auch Katrin Wolfram, die für die Einstudierung mit verantwortlich ist, hat ihren Anteil daran.

Dass an diesem Abend ebenso eigene Choreografien von sechs Studierenden der Abschlussklasse des Studienganges Tanz zu sehen waren, scheint angesichts der Präsenz dieser Tänzer selbstverständlich. Und gehört zur Tradition der Ausbildung, ist keine neuzeitliche Erfindung, bezieht Studierende anderer Jahrgänge mit ein. Erstmals aber konnten auch die Tanzstudenten mit ihren Choreografien im Festspielhaus Hellerau auftreten – und das war erfrischend und raumgreifend. Mit einem deutlichen Ansatz zur theatralen Wirkung. Vor allem aber hervorragend getanzt, und dazu eine ausgezeichnete Licht-Begleitung. Das Publikum im ausverkauften Festspielhaus hatte seine Freude daran. Das würde man sich auch gern ein weiteres Mal anschauen.

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