Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks

Der Tanzmacher Heinz Spoerli wird siebzig

oe
Stuttgart, 08/07/2010

Ja, wie denn das? Haben wir nicht gerade erst seinen Jubiläumsgeburtstag mit einem rauschenden nächtlichen Fest auf dem Zürcher See gefeiert? Und das soll nun auch schon wieder zehn Jahre her gewesen sein? Aber was sind schon zehn Jahre gegen das halbe Jahrhundert, das seit Orlikowskys „Pagodenprinz“ in Basel vergangen ist! Und an den erinnere ich mich als meine Erstbegegnung mit Spoerli: da saß er als Knirps auf der Spitze der Menschenpagode, die „Orli“ auf der Bühne aufgebaut hatte.

Fünfzig Jahre leben mit Spoerli! Das haben wir beide ganz gut hingekriegt: in Basel, in Köln, dann Pause während seiner Emigration nach Kanada, dann wieder Basel ab 1969 als damals jüngster Schweizer Ballettchef, dann Düsseldorf – und nun also schon wieder seit 1996 in der Schweiz, und zwar diesmal in Zürich, als „Tanzmacher“, wie er sich selbst gern bezeichnet, den Zunftcharakter seiner Kunst betonend, gleich neben den Schweizer Uhrmachern. Natürlich gab es da auch gelegentliche Tiefen.

Als mein erstes Lexikon 1972 bei Friedrich in Velber herauskam, klaffte zwischen „Spitzentanz“ und „Spohr, Arnold“ eine Lücke. Da hätte auch damals schon sein Name stehen müssen – meinte Heinz-Ludwig Schneiders vorwurfsvoll (und da sähe man ja, was man von „Friedrichs Ballett-Lexikon von A bis Z“ zu halten habe“ – später dann, bei Reclam, fehlte sogar „Apollon musagète“, wie Jochen Schmidt missbilligend feststellte, dabei handelte es sich ganz offensichtlich um einen Flüchtigkeitsfehler). Auch nach seinem Düsseldorfer „Dornröschen“ herrschte eine Weile Funkstille, und die jüngste ist noch gar nicht so lange her, denn sie ereignete sich nach seinem Zürcher „Schwanensee“.

Aber erinnerungsträchtiger sind doch die Höhepunkte seiner Karriere: sein „Giselle“-Debüt als Choreograf mit der sonst immer gestrichenen Fuge in Basel, dort auch sein erster „Sommernachtstraum“ mit den Schauspieler-Gästen in den Rüpel-Szenen und sein um Hans van Manen gebautes „Falstaff“-Ballett, auch schon sein umwerfendes „Chäs“ und der Knüller seiner „Fille mal gardée“. Dann von Düsseldorf an seine Bach-Manie mit dem Höhepunkt seiner immer wieder neu einstudierten „Goldberg-Variationen“ und den zwei geteilten Abenden mit allen sechs Solo-Cellosuiten. Und war Spoerli nicht der erste hierzulande (nein, keine Okkupations-Androhung – wie soll ich´s denn nennen: unsere deutschbeinige Ballettszene?), der Merce Cunningham, Twyla Tharp und Lin Hwai-min präsentierte?

So viele Vorstellungen reinsten tänzerischen Glücks: „Coppélia“, „Pulcinella“, ein gewisser Youngster namens Martin Schläpfer als Pierrot lunaire, sein hinreißender „Don Q“ und nun auch noch seine „Raymonda“ als Zürcher Ballett-Trüffel-Kreation à la Sprüngli. An Spoerlis Laufbahn erinnern, heißt, daran zu erinnern, wie er Loyalitäten gestiftet hat, die sich über Jahre, ja Jahrzehnte bewährt haben – um nur ein paar Namen zu nennen: Manfred Gräter, Peter Appel, Chris Jensen, Sheldon Schwarz, Maurice Choukrane ...

Indem ich meine Glück- und Gesundheitswünsche zu seinem Siebzigsten von Stuttgart nach Zürich sende, bin ich schon gespannt darauf, was er sich für seine beiden letzten Zürcher Spielzeiten vorgenommen hat. Wie wär´s denn mit einem „Le Corsaire“ als krönendem Finale?

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