Eine Stuttgarter Dependance der Neverland Ranch?

Die John Cranko Schule huldigt Michael Jackson

oe
Stuttgart, 25/07/2010

Unterhält die Neverland Ranch von Michael Jackson seit neuestem eine Dependance in Stuttgart? Ist sie, die seit Jahren leer steht, vom kalifornischen Santa Ynez Valley in die Urbanstraße emigriert –, dahin, wo heute (noch) die John Cranko Schule residiert? Auf den Gedanken konnte man kommen, als man die Absolventen der Stuttgarter Ballettschule in ihrer jüngsten Matinee im Schauspielhaus mit ihrer „Hommage à MJ“ von Selatin Kara über die Bühne tollen sah. Und wenn auch kein „Moon Walk“ dabei war, so versprühten sie doch alle, ob nun aus den Ausbildungsklassen oder aus der Bel Etage der Akademie, soviel ansteckende Tanzlust, dass das entzückte Publikum gar nicht anders konnte als mit einem lautstarken kollektiven „Wow!“ darauf zu reagieren.

Keine Angst, dass sie dort nun nur noch auf Pop dressiert würden! Das bewiesen sie in den anderen Teilen des Programms. Und so werden wir sie denn nach den verdienten Ferien demnächst wieder artig ihre Reihen als Schwäne ziehen, beziehungsweise als Wilis ihre nächtlichen Rituale zelebrieren oder als Montagues und Capulets miteinander fechten sehen. Wenn man diese Matineen am Schluss der jeweiligen Spielzeit mit der alljährlichen Weinlese vergleicht, kann man dem Stuttgarter Jahrgang 2010 eine ausgereifte, vollaromatische Qualität, rund und harmonisch, mit einer Aromenpalette von feinen Himbeeren, über Heidelbeeren bis zu einem aparten Blütenduft attestieren, mit leicht mineralischen Anklängen und einem lang anhaltenden, auf der Zunge prickelndem Nachgeschmack.

Tatsächlich mutet ein solches Programm aus lauter kleinen Gustostückerln, Soli, Duos, respektive Pas de deux und kleineren Ensembles wie eine Weinverkostung an, bei der die Lehrer und Juniorchoreografen ihre Kostproben aus den besten Lagen präsentieren – doch anders als bei den professionellen Weinverkostungen kann man sich hier einen kräftigen Schluck genehmigen, ohne ihn hinterher wieder ausspucken zu müssen. Sozusagen als exquisite Spätlesen erwiesen sich dabei die beiden Hochgewächse, die der noch sehr junge choreografische Wengerter Louis Stiens, von der Münchner Bosl-Akademie nach Stuttgart zugewandert (ein Migrant?), kredenzte.

Aber auch das von Catarina Antunes Moreira stammende Duo „Porto que sinto“ für die beiden formidablen Gustavo Echevarria und Theophilus Vesely mundete als ein spritziger, rasch zu Kopfe steigender Vinho Verde. Und dann bekräftigte am Schluss die unverwüstliche „Pineapple Poll“, dass wir uns, after all, doch noch in Stuttgart befinden, wo die von Cranko aus Südafrika via England mitgebrachten (und vergessen wir das nicht: von Anne Woolliams noch veredelten) Reben weiterhin bestens gedeihen und reiche Erträge erbringen. Und wo uns Tadeusz Matacz als oberster Wengerter zum fünfzigsten Jubiläumsjahr eine besonders raffiniert gekelterte Cuvée verspricht.

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