Diaghilews Heimkehr nach St. Petersburg

Eine Sternstunde bei arte: Strawinsky und Les Ballets Russes

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Stuttgart, 17/08/2010

Hundertundein Jahr nach dem glänzenden Pariser Debüt seiner Ballets Russes ist Diaghilew gelungen, wonach er sich Zeit seines Lebens so vergeblich gesehnt hatte: die Präsentation dreier der von ihm in Auftrag gegebenen Strawinsky-Ballette auf der Bühne des St. Petersburger Mariinsky Theaters, getanzt von Solisten und Corps der Kompanie, mit dem Orchester unter der musikalischen Leitung von Valery Gergiev, dem Chef des Hauses. Arte hat die drei Ballette „Der Feuervogel“ (1910), „Le sacre du printemps“ (1913) und „Les Noces“ (1923) von Michail Fokine, nach Vaslaw Nijinksy rekonstruiert von Millicent Hodson und Bronislava Nijinska in der Regie des mit einem hervorragenden choreografischen Spürsinn begabten Fernsehautors Denis Caiozzi aufgezeichnet. Es wurde eine Sternstunde des Fernsehballetts – sozusagen ein nachträglicher Accent aigu auf die diversen Zentenar-Feierlichkeiten rund um den Globus 2009.

Und so konnte man schwelgen in dem Tanz-, Farben-, Formen- und Klangrausch, der da aus dem Orchester und von der Bühne auf das Publikum einbrandete und – mit einigem historischen Bewusstsein nachvollziehen, wie den Zeitgenossen vor hundert Jahren die Sinne vergingen vor so viel Schönheit und Opulenz. Welch ein gewaltiger Schritt von den Plaisanterien der im Schatten von Delibes, Tschaikowsky und Glasunow, von St. Léon, Petipa und Iwanow arrangierten Ballette des Fin de siècle. Welch ein Sieg der Tanzkunst im Zeichen des theatralischen Aufbruchs in das neue Jahrhundert! Das Programm hätte nicht besser gewählt werden können! „Der Feuervogel“ als Anknüpfung an die folkloristische Tradition der russischen Märchenballette à la „Schwanensee“ und „Dornröschen“ mit dem nachgeschliffenen choreografischen Feinbesteck des abendländischen Ballet d'action, sodann „Sacre du printemps“ als Rückbesinnung auf die atavistischen Wurzeln des russischen Tanzes und schließlich der rituelle Vollzug einer archaischen Bauernhochzeit – und das alles mit den unterschiedlichen stilistischen Mitteln der modernen bildenden Kunst. Getanzt von Ekaterina Kondaurova (schon vom Gastspiel in Baden-Baden bekannt), Ilya Kuznetsov und Marianna Pavlova (im „Feuervogel“), von Alexandra Iosifidi und Vladimir Ponomarev (in „Sacre“) sowie von Anna Sysoeva und Roman Skripin (in „Les Noces“), ereignete sich das Programm wie ein tänzerisches Feu d'artifice, arrangiert von drei Meister-Pyrotechnikern (beziehungsweise ihren nachgeborenen Delegierten).

 

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