Vom Heerführer zum Tyrannen

Volker Eisenach lässt im Fontane-Haus „Macbeth“ zu Bruckner tanzen

Berlin, 31/03/2011

Er möchte seine Begeisterung auf die jungen Tänzer übertragen, sagt Volker Eisenach. Außerdem interessiere ihn das Thema. Nach einer quietschbunten, lamettaglitzernden „WeihnachtsREHWÜ“ um unsere Freuden und Sorgen zum Fest lässt er nun, ganz im Sinn seiner auf Kontraste ausgerichteten Repertoirestrategie, an zwei Abenden im Fontane-Haus ein düster ernstes Stück folgen. Mit rund 50 Tänzern seiner 1992 gegründeten Faster-Than-Light-Dance-Company hat er seit Februar „Macbeth“ einstudiert, eines von Shakespeares Schauerdramen um Mordgelüst aus Machtgier.

Zwischen 15 und 25 sind die Tänzer, manche im Erstauftritt, haben wahrlich schneller als das Licht das Schrittmaterial gelernt, das Eisenach und sein Co, José Antonio Roque Toimil aus Mexiko, ihnen maßgeschneidert haben. Wie verwandeln sich Jugendliche von heute den Tyrannenstoff aus der Zeit nach 1606 an? Cornelia Bock, 18, Abiturientin, sieht ihre Rolle nüchtern: Lady Macbeth ist die Schlampe hinter dem netten Kerl, er führt aus, was ich sage. Seit der 5. Klasse spielt sie Theater, stieg dann auf Tanz um, will Chemie studieren. Jann Scheferling, 21, bald Physiotherapeut, ist der „nette Kerl“ Macbeth. Gleich in der ersten Produktion fiel ihm die Titelrolle zu, vorherige Stücke hatten ihn bereits begeistert. Eher harmlos schaut er aus: Es reize ihn, das zu spielen, was er nicht ist. Zehn Jahre Karate empfehlen ihn für die Kampfszenen. Softwaresystemtechnik studiert Tsun Yin Wong, 20, mit Wurzeln in Hongkong, tanzt bei FTL schon die dritte Produktion, wirkt so nett wie seine Rolle: der künftige König Malcolm. Morden muss jedoch auch er, denn erst Macbeths Tod sichert ihm die rechtmäßige Krone.

In der gewählten Musik hat Eisenach seinen Tänzern eine weitere Hürde errichtet. Nicht etwa Hardrock trägt die blutige Story, sondern eine komplette Sinfonie von Anton Bruckner, jenem als deutsch empfundenen und deutsch empfindenden Komponisten. Cornelia hat sich die Musik besorgt und war angetan, Jann und Tsun Yin freundeten sich erst im Lauf der Proben mit dem Klang an. Junge Menschen mit Bruckner in Berührung zu bringen, sei Anliegen seiner Stückwahl, sagt Eisenach. Zwei gleichwertige Besetzungen tanzen die vier Hauptparts, zu denen noch König Duncan gehört. Die fünf Akte und 22 Szenen des Originals hat der Choreograf, gestützt auf die Sätze der Musik, in vier Bilder gerafft, auch die Personnage aufs Wesentliche begrenzt. Banquo, die Macduffs fielen dem Strich zum Opfer. Entstanden ist eine 70 pausenlose Minuten dauernde, geradlinig geführte Vision um unbotmäßiges Begehren und die gerechte Strafe dafür.

Einzige Dekoration ist im Vorhang weit hinten ein Spalt, dem Licht von blutrot bis nachtdunkel Atmosphäre gibt. Alles Übrige besorgen Tanz und Musik, und die, Bruckners 3. Sinfonie mit ihrem Pendeln zwischen Heroik und volkstümlichen Tanzeinlagen, verschwistert sich dem Geschehen unerwartet nahtlos. Drei Hexen gehört der Anfang, sie sind mit ihrer Gaukelei um die Krone für Macbeth die Versuchung, der er erliegt. Ständig beobachten sie den Fortgang, reichen das Meuchelschwert, reizen auf und heizen an. Auch Malcolm empfängt von ihnen die Mordwaffe, doch als er schon unter der Krone steht, zücken sie das Messer auch gegen ihn als sei des Tötens kein Ende. Wieder arbeitet Eisenach mit massigen Raumformen, diesmal sparsamer fast, prägnanter als sonst, erzielt eindringlich plastische, sauber getanzte Bilder bei aller Begrenztheit dessen, was in kurzer Zeit zu bewältigen ist. Besonders den Part der Lady hat er differenziert erdacht, lässt sie im Wahn über Körper aufsteigen, ehe sie in den Tod stürzt. Nochmals heute. www.volkereisenach.de www.ftl-online.com

 

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