Frag den Goldfisch: Hip-Hop in moderatem Tempo

Vanilton Lakka zu Gast bei „Tanz!Heilbronn“ fragt „Ist der Körper das Medium des Tanzes?“

Heilbronn, 15/05/2012
„Stop!“ und „Go!“, wenn die Zuschauer durch Zuruf ins Spiel eingreifen, dann ist blitzschnelles Reagieren gefragt und die Balancen der Breaker, Vanilton Lakka, Fabio da Costa und Cloifson da Costa werden zum gewagten Glücksspiel. Das Publikum in den Kammerspielen beim Festival „Tanz!Heilbronn“ ist vom schwungvollen Mann-an-Mann-Turnen des brasilianischen Tänzertrios ebenso begeistert, wie von Anleihen aus dem Improvisationstheaters. Hip Hop, voll explosiver Körperartistik, lockt auch Jugendliche ins Theater.

Wer einmal einen Battle zwischen Breakdancern erlebt hat, weiß von der Faszination des hitzigen Wettstreits, in dem sich Straßentänzer herausfordern, Kräfte messen, Tricks zur Schau stellen und damit den Applaus der Umstehenden bekommen. Verknotete Körper, geschleuderte Beine und Rotationen im Handstand bis hin zu rasanten Hechtrollen und Schrauben kopfüber gehören zum Repertoire der männlichen Demonstration aus Muskelkraft, Körperpräsenz und Reaktionsgeschwindigkeit. Aktionen, die, gepaart mit schnellen Rhythmen und unbändiger Beweglichkeit Spaß bringen, aber auch Kräfte zehrend und naturgemäß von kurzer Dauer sind. Um daraus ein abendfüllendes Programm zu machen braucht es dramaturgische Konzepte.

Während französische Hiphoper den Breakdance mit der Ästhetik anderer Tanzstile verbinden und in eine Geschichte verpacken, gibt sich Lakka, mit einen Master of Art (MA) in Soziologie, wissenschaftlich: „Ist der Körper das Medium des Tanzes?“ fragt er im Stücktitel. Will wissen, welche Möglichkeiten sich dem Tanz im Informationszeitalter bieten, ob der Körper nur noch technisches Hilfsmittel wie ein Computer sei. Den intellektuellen Anspruch kann man, angesichts der 50 unterhaltsamen Minuten getrost beiseite lassen. Lakka setzt auf Entschleunigung: Lockere Laufschritte, Dehnübungen samt verschobener Körperstatik, hin und wieder ein Schluck Wasser aus der Flasche ¬ Alltagsgesten gehen nahtlos über in virtuose Körpertechnik. En passant ein paar Körperwellen, Kopfstände, meditativ wie Hatha-Yoga, die Millimeter für Millimeter in die Asymmetrie rutschen. Szenenapplaus gibt es für Soli, Duos und Trios, mal unterlegt von Radiorauschen, mal mit einem Tango. Neben dem Turbo-Tempo filtert Lakka auch Konkurrenzdenken aus dem Battle, um andererseits ein paar Spielzeugpanzer ins Rennen zu schicken, die, an den Grenzen eines Geheges aus Socken und Schuhen, Purzelbäume schlagen.

Die Arena als Raumform sitzt das Publikum, beobachtete Beobachter, rundum. Die drei Akteure spannen Schnüren über die Spielfläche, die vom Publikum gehalten, einen Hindernis-Parcours ergeben, der zum Kriechen, Übertreten und Springen reizt. Lustiges Party-Macramé, das eventuell als Metapher fürs Vernetzen gedeutet werden könnte. Ultimativer Denkanstoß ist (wie häufig in zeitgenössisch hippen Tanzpräsentationen) der Goldfisch in der Glaskugel, der schlussendlich auf die Bühne getragen wird. Was will uns der Künstler damit sagen? Fragen Sie doch den Goldfisch.

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