Ein Don Juan, der rockt

Der neue Coup des Nürnberger Ballettchefs Goyo Montero

Nürnberg, 29/07/2012

Keine Frage: Goyo Monteros neuer Coup „Don Juan“ rockt und der Nürnberger Ballettchef scheint damit endgültig auf dem besten Wege, einer der stilbildenden europäischen Choreografen zu werden, die die alte Form des Handlungsballetts mühelos, hochvirtuos und schlicht aufregend für die Gegenwart zu inszenieren weiß. Bewundernswert sind die Tänzerinnen und Tänzer, mit denen der 38-jährige Spanier seit vier Jahren am Staatstheater Nürnberg konsequent seinen Weg verfolgt.

Nicht ein Hauch von Ermüdung war der zwanzigköpfigen Truppe nach der langen Saison anzusehen. Ausgestattet mit einer fabelhaften Präsenz tanzte das fein aufeinander abgestimmte Ensemble die elf Szenen dieser letzten Uraufführung der Saison im Rahmen der „Internationalen Gluck-Opern-Festspiele“ mit beeindruckender Dynamik, voller Energie und Ausdruckskraft. Einen besseren Ausblick auf die kommende Spielzeit hätte die Kompanie nicht geben können: In nur acht Wochen am 30. September startet das Ballett des Staatstheaters Nürnberg mit weiteren Vorstellungen dieses überraschenden Wurfs.

Richtig Freude macht dieser im dramaturgischen Rhythmus perfekte ausbalancierte „Don Juan“ aus vielen Gründen: Gasttänzer Rafael Rivero, viele Jahre Erster Solist bei Nacho Duato, bildete einen Frauenverführer erster Güte ab. Schwarzes Lockenhaar um schwarze Augen, dazu ein betörender Tänzer, flanierte er im roten Gehrock durch diesen in seinem ganzen Elend sichtbar werdenden Mythos vom Manne, der nicht nur die Körper, sondern auch die Seelen der Frauen verschlang. Wie mit diesem Muster, zugleich historischen Erbe, umgehen, schließlich handelt es sich beim „Don Juan“ um eines der ersten vollständigen „ballet en action“, geschaffen 1761 vom Choreografen Gasparo Angiolini und eben mit Gluck als Komponisten? Montero entschied sich für schlicht umwerfende Tanzbilder auf einer beständig wandelnden Dreh- und Stufenbühne, die im neoklassisch-modernen Bewegungsfluss eine packende Sprache sprechen, herzhaft-direkt im Ton, wenn etwa lauter Paare im Kreis in unterschiedlichen Konstellationen zueinander stehen und Don Juan durch sie hindurchwedelt, sie verändert doch ohne Spuren zu hinterlassen.

Mit viel Witz und ironischer Distanz gelangt Montero zu einer klaren Aussage: Mythos und reale Erfahrung des „Don Juan“ werden ebenso überleben wie die Frauen, deren Lebenswege einmal ein solches Exemplar kreuzte. Befreiendes Gelächter deshalb in einem zum Schluss, als Rivero wie ein vom Kreuz davon gekommener Christus zittrig einen Fuß vor den anderen setzt und hinter ihm die Truppe auf die Hymne aller Verlassenen – „I will survive“ von Gloria Gaynor in der Version von Cake - abtanzt. Kongeniale Partnerin Riveros ist die Schauspielerin Julia Bartolome, die als Erzählerin und Teufelsfigur diabolisch-unberechenbar durchs Stück führt und die Rahmenhandlung etabliert, in der alles Geschehene nur wie ein Traum wirkt. Montero ist es dabei gelungen, Text und Tanz, Sprache und Bewegung bruchlos zueinander zu führen. Besonderer Höhepunkt ist hierbei der auf Sprachinhalt und –melodie abgestimmte ruppige Bewegungsfluss von Ana Baigorri als Dona Ines, einer Novizin, die Don Juan als höchste Errungenschaft begehrt, weil er meint, durch sie ein besserer Mensch zu werden. Eine Vielzahl von liebevoll gestalteten Momenten kommt hinzu, die, gepaart um die spannende Musikauswahl, die außer Glucks Komposition auch Tom Waits und Mozarts „Don Giovanni“ integriert, das Herz knapp zwei Stunden höher schlagen lässt.

 

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