„Who knows. Maybe Tennessee“ von Jan Pusch

Hamburg, 15/10/1999

Ein Mann und eine Frau. Das alte Thema. Tanztheatralisch erzählt. Nicht gerade neu und trotzdem sehr gelungen. „Who knows. Maybe Tennessee“ nennt der Hamburger Choreograf Jan Pusch in Anlehnung an das Williams-Melodram „Endstation Sehnucht“ sein neues, in den Lübecker Kammerspielen uraufgeführtes Stück. Das Duo - oder wenn man will Trio für zwei Tänzer und ein Mikrofon - ist ein Projekt der Tanz Companie Lübeck. Selbstironisch stürzt sich deren Leiterin Juliane Rößler mit dem österreichischen Gasttänzer Chris Haring (gehörte früher zum Londoner DV 8 physical theatre) in die erotische Begegnung eines ungleichen Paares.

Zunächst verharren die beiden fast autistisch in ihren unterschiedlichen Vorstellungen von der Liebe. Tanzen nebeneinander her. Jeder in seiner Bühnenhälfte. Im hermetischen Sehnsuchtsraum. Die Frau spinnt sich exaltiert in einen Wortkokon verkitschter Träume ein. Der Mann reagiert aus stummer Not dumpf triebhafter Körperlichkeit. Nicht ohne Komik prallen da falsche Illusion und unverstellte Physis zusammen. In den beiden konträren Temperamenten sind Blache Du Bois und Stanley Kowalski aus „Endstation Sehnucht“ erkennbar.

Als der Mann einmal die Magazin-Tür zur Hinterbühne aufstemmt, die beiden gemeinsam frei sein könnten, wählt die Frau den Rückzug. Eigentlich ist es egal, ob das Schiffstuten von Mississippi-Raddampfern oder Osteekreuzern stammt. Pusch skizziert nämlich aus sarkastischer Distanz männliches und weibliches Geschlechtsverhalten - ohne zu denunzieren oder Partei zu ergreifen. Geschickt setzt er die gegensätzlichen Energien und Bewegungsqualitäten seiner Protagonisten ein. Juliane Rößler zeigt sich in neuem, anderen Licht und eröffnet Lübeck mit ihrer Produktion einen Blick auf Trends der englischen Szene. Denn Pusch läßt sich von Wendy Houstouns Tanz-Text-Arbeiten anregen. Und Chris Haring variiert katzenhaft die fließenden Drehfiguren eines Lloyd Newson.

Wie der Choreograf jedoch das Stück auf der Bewegungs-, der Erzähl- und konkreten Spiel-Ebene (zweier rivalisierender Selbstdarsteller) spannungsvoll schichtet und in der leeren Black-Box mit präzisem Licht- und Musik-Einsatz pointiert, entwickelt eigene Bildkraft und Erotik.

Zusammen mit Jan Puschs Solo „Please help yourself“ gastiert „Who knows. Maybe Tennessee“ vom 24. bis 28. November in der Hamburger Kampnagelfabrik.

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