Tabula Rasa in Köln
Aus für Richard Siegal und sein Ballett of Difference
Werke von Chouinard, Beutler und Siegal auf der Münchner Dance Biennale
Es muss einem nicht alles gefallen, aber farbig, abwechslungsreich – vom Multimedia-Psychotrip bis zum exaltierten Körpertheater – ist diese 13. Münchner Dance-Biennale (bis 4.11.). Die Kanadierin Marie Chouinard, hier schon durch ihre Solo-Choreografien bekannt, lässt ihr zehnköpfiges Ensemble in „bODY_rEMIX/gOLDBERG_vARIATIONS“ auf Spitze tanzen, auch die Männer. Gleichzeitig aber auch mit Gurten, Krücken und rollenden Geh-Hilfen. Für die Tänzer ungewohnte Behinderungen, die zu gebeugter, gekrümmter, abknickender (Fort-)bewegung führen. Chouinard hat sich zu ihrer Kombination von artifizieller Ballettklassik – bei ihr noch tierhaft überdehnt – und (scheinbar) lädiertem Körper eine Menge einfallen lassen: vom Gehen auf allen spitzenbeschuhten Vieren bis zu turnerischen Übungen an Ballettstangen. Eine Qualität, zugegeben, hat Chouinards Körper-Show. Für mich jedoch erschöpft sich diese hochverkünstelte ästhetische Irritation schon nach wenigen Minuten.
Durchgehende Wahrnehmungslust bei Nicole Beutler, obwohl sie „nur“ zwei musiklose Stücke der großen US-Minimalistin Lucinda Childs von 1976/77 zu einer fein abgestimmten Minimal-Komposition neu aufgelegt hat. Das von vier Tänzern vorgeführte, lediglich mit verändertem Körper-Abstand, mit Hüpfern und Kehrtwendungen variierte Schnell-Gehen und Laufen im Kreis ergibt in seiner Wiederholung dennoch – soghaften puren Tanz. Mit der Uraufführung „Black Swan“ des aktuellen Muffatwerk-Residenzlers Richard Siegal schließt Münchens Dance an die interdisziplinären Tanz-Trends an. Ex-Forsythe-Tänzer Siegal bewegt sich auf der abgedunkelten Muffathallen-Bühne mit gebrochenen Schwanen-Gesten und immer sprech-singend, während die Texte auf eine konvexe Großleinwand projiziert werden. Als eine Art Neo-Sphinx kündet er nach der „Black Swan“-Theorie (siehe dazu im Internet) von unvorhergesehenen einschneidenden Ereignissen (Waterloo, Verdun, Felix Baumgartners Rekord-Himmelssturz). Sehr ähnlich – sowohl formal wie in der suggerierten existenziellen Verunsicherung – der Flame Jan Van den Broeck, der assoziativ-kryptisch die Psyche des urban gehetzten Menschen auszuloten scheint.
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