EA "Kammerballett", UA "Händel/Corelli", EA "A Sort Of..."

Die Schwierigkeiten menschlicher Annäherung

München, 06/04/2001

Dass es ihm gelungen ist, ein Gutteil der choreografischen Weltelite für das Premierenprogramm zum Auftakt der diesjährigen Ballettwoche an sein Haus zu verpflichten, darauf kann Ivan Liška, Chef des Bayerischen Staatsballetts, wahrlich stolz sein. Zumal er seinem Publikum damit nicht gerade leichte Kost vorgesetzt hat. Die einleitende deutsche Erstaufführung von Hans van Manens „Kammerballett“ schildert mit vier Paaren, die nie wirklich Paare werden, in sehr konzentrierter Form die Schwierigkeiten menschlicher Annäherung. Ob sie in der Partnerschaft ihre Eigenheiten bewahren wollen, sich hingebungsvoll einander anschmiegen, ihren Männerstatus proklamieren oder sich schließlich, wie Sherelle Charge in ihrem großen Solo, erhobenen Hauptes in ihr Alleinsein fügen – letzten Endes gelingt keines von allem.

Keso Dekker hat dafür die Bühne als weiße Arena beleuchtet, in der die von ihm in pastellfarbene Trikots gekleideten Tänzer auf Stühlen sitzen und jene beobachten, bei denen es gerade wieder schief läuft, ohne dass sie daraus für ihr eigenes Verhalten einen Nutzen ziehen könnten. Ein sehr ruhiges, meisterlich eingerichtetes Werk zu Klavierstücken von Kara Karayev, Domenico Scarlatti und John Cage, das der folgenden Uraufführung „Händel/Corelli“ von Lucinda Childs als Lehrstück für richtig angewendeten Minimalismus dienen könnte.

Die Amerikanerin, Schülerin von Merce Cunningham und in ihrer Heimat ein heller Fixstern am Choreografenhimmel, ist berühmt für die Verknappung tänzerischer Mittel. Die zeigt sie auch in diesem Werk für vier Solopaare und Corps, die sie zu Kompositionen von Georg Friedrich Händel und Arcangelo Corelli in weitgehend klassischem Tanz die immer gleichen Aktionen feiner Fußarbeit, schneller Drehungen und höfisch deklamierender Arme vollführen lässt. Die architektonischen Linien wechseln, entwickeln sich etwas vor und zurück, aus heiter wird noch heiterer, unterbrochen durch einen sehr schönen, elegischen Pas de deux von Judith Turos und Roman Lazik – aber im Grunde mutet das wie künstlerisches Wassertreten an.

Childs, einst an der Spitze der Bewegung marschierend, gewährt uns gewissermaßen einen Blick in die Vergangenheit der Zukunft. Dafür sind Pierre Mendells hohe Zaun-Bühne, hinter deren Rückwand das Bayerische Staatsorchester postiert und über Lautsprecher zu hören ist, sowie Monika Staykovas todschicke Kostüme geradezu revolutionär.

Zum Schluss als Münchener Erstaufführung Mats Eks „A Sort Of …“ zum Kleinen Requiem für eine Polka und dem Cembalokonzert von Henryk Górecki. Das ist eines jener unvergleichlichen Werke des Schweden, die ihr Publikum von Lachen zu Bestürzung hin- und herwerfen, ein Albtraumballett aus Nachtmahren, die sich im Gehirn eines Mannes festsetzen, der am Beginn des Stücks vor einer großen, gelben Wand in einem Frauenmantel einschläft und dort am Schluss in einem Herrenanzug, durch seine Fantasien völlig verändert, erwacht.

Man kann Eks Liebes-Pas-de-deux der rumpelnden Glückseligkeit, seinen aberwitzigen Ängsten, seinem figürlichen Erfindungsreichtum und der zu Herzen gehenden, krakelnden Fragilität seiner Menschen nicht zuschauen, ohne im Nu zu seinem heißen Bewunderer zu werden. Jubel über Jubel, und als Ek sich am Ende verbeugte, da brach der Saal in einen einzigen Schrei aus. Auch hier das Orchester wieder hinter der Bühne, von Gabriel Feltz plattenreif geleitet.

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