Alias Lady Di

Pfalztheater Kaiserslautern: Stefano Giannetti interpretiert „Dornröschen“ neu

Kaiserslautern, 27/12/2012

Bei Mats Ek hängt Aurora an der Nadel, Stephan Thoss stellt in seinem „Dornröschen“ die Nöte des kinderlosen Elternpaares in den Vordergrund. Wie elastisch und strapazierfähig der Märchenstoff ist, zeigt die jüngste Interpretation des Tschaikowski-Balletts am Pfalztheater Kaiserslautern: Stefano Giannetti zieht augenzwinkernd Parallelen zwischen Lady Diana und „La belle au bois dormant“, wie die französische Fassung von Charles Perrault aus dem Jahr 1697 heißt. Auf diese Fassung (und nicht auf die verharmlosende Version der Brüder Grimm) geht das Libretto der Uraufführung (1890) von Marius Petipa und Iwan Wsewoloschski zurück.

Giannetti, der von Anfang bis Ende die Originalmusik verwendet, legt die ganz realen Ereignisse der tragischen (Liebes-)Geschichte von Diana Spencer wie eine zweite Folie über das Libretto. Im Wechsel fokussiert die Inszenierung den Blick mal auf das Original, mal auf das Geschehen in der britischen Monarchie der 80er und 90er Jahre: Das Ehepaar Spencer hat Nachwuchs bekommen. Fünf Patentanten erscheinen zur Taufe, um dem Kind Glück zu wünschen. Nachdem sich die Gesellschaft zum Tee versammelt hat, taucht, quasi als Vorahnung (statt Carabosse) der spätere Geliebte Dodi Al-Fayed auf. Zur jungen Frau gereift, machen vier Prinzen, darunter Prinz Charles, die Aufwartung. Die beiden werden ein Paar, doch die Ehe gleicht einem Schlaf, der Diana hindert, zu lieben, zu leben und zu sein, wie sie es sich wünscht. Als sie mit Charles eine Vorstellung des Balletts „Dornröschen“ besucht, wacht sie förmlich auf und erkennt in der Beziehung Aurora und Prinz Désiré die Kraft einer erfüllenden Liebe.

Mit diesem Kunstgriff sind die Bravourstückchen des Balletts, wie das „Rosen-Adagio“ (1. Akt), das „Pas de deux des Blauen Vogels mit Prinzessin Florine“, das „Duett der Katzen“ sowie das „Hochzeits-Pas de deux“ (alle 3. Akt) originalgetreu zu erleben. Die Rahmenhandlung dagegen entspricht dem Dress-Code heutiger Royals, erlaubt eine neoklassische bis zeitgenössische Tanzsprache mit Faible für Forsythe und lässt der Kreativität des Choreografen freien Lauf. Ganz im Sinne von Peter Tschaikowski (1840-1893), der von Beschränkungen realistischer Opern-Konzepte genug hatte und das Ballett über alles schätzte, um jenseits der Worte ins „Königreich der Träume, der Launen und des Wunderbaren zu gelangen“, wie der Zeitgenosse und Kritiker Hermann Laroche (1845-1904) schreibt. Mit „Dornröschen“ (1890) hat er ein musikalisches Meisterwerk geschaffen, das die Prinzipien der Sinfonik mit den Erfordernissen des Bühnentanzes kongenial verbindet, zudem psychische und szenische Vorgänge illustriert. Nach „Nussknacker“ (1892) und „Schwanensee“ (1877) vervollständigt Stefano Giannetti mit diesem Abend seine Tschaikowski-Trilogie.

Hut ab vor der Leistung ein so großes Ballett mit einem so kleinen Ensemble zu stemmen. Abgesehen von der anfänglichen Premieren-Nervosität bestechen die Tänzerinnen und Tänzer durch Musikalität, Technik und Bühnenpräsenz. Als tragisch-sensible Diana brilliert Eleonora Fabrizi; tänzerisch weich und fließend, überzeugt sie auch schauspielerisch als Königin der Herzen. Neben ihr der wenig inspirierte Charles (die undankbarste Rolle: Chris Kobusch) und der etwas schlaksige, dennoch elegante Liebhaber Dodi Al-Fayed (Riccardo Marchiori). Gewürzt mit Ironie und Slapstick-Komik, erheitert das Quintett der Patentanten Margareth Candide (Letizia Cirri), Peggy Crumble (Gabriella Limatola), Monica Violante (Laure Courau), die Brillenschlange Fiona Coulante (Eléonore Turri) und die quirlige Penny Canary (Flavia Samper) als auch Lord und Lady Spencer (Michal Dousa und Felicity Hader) mit kleinen gestischen Gags. Szenenapplaus für ein „Hochzeits Pas de deux“ (Gabriella Limatola/Michal Dousa), das perfekter nicht sein könnte. Verspielt kokett und ausdrucksstark ist das Duett der „Katzen“ (Flavia Samper/Gianluca Sermattei), intensiv und poetisch das Duo der „Blauen Vögel“ (Laure Courau/Kei Tanaka). Begeisterung und frenetischer Applaus für die Gesamtleistung, nicht zuletzt auch für die vier tanzenden Kinder, die Bühne (Thomas Dörfler), das Licht (Harald Zidek), die Kostüme (Michael D. Zimmermann) und das Orchester des Pfalztheaters.

 

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