„Amadeus“ von Jaroslaw Jurasz

„Amadeus“ von Jaroslaw Jurasz

Mozart tanzt

„Amadeus“ von Jaroslaw Jurasz in Halberstadt

Mozart, „Die Hochzeit des Figaro“, die Ouvertüre, dieser rasende Wirbel der Musik als Vorwegnahme des tollen Tages, der in der Oper folgen wird. Im Theater Halberstadt wird diese hinreißende Musik zugespielt, ein „Mozart“ sitzt hinterm durchsichtigen Vorhang am Flügel, spielt mit, komponiert und dirigiert

Halberstadt, 18/02/2013

Mozart, „Die Hochzeit des Figaro“, die Ouvertüre, dieser rasende Wirbel der Musik als Vorwegnahme des tollen Tages, der in der Oper folgen wird. Im Theater Halberstadt wird diese hinreißende Musik zugespielt, ein „Mozart“ sitzt hinterm durchsichtigen Vorhang am Flügel, spielt mit, komponiert und dirigiert. Dazu bewegt sich als Projektion ein Notenschlüssel sehr langsam von rechts nach links über den Vorhang um dann den Weg frei zu machen für einen Sturm der Noten, die sich blitzschnell entgegengesetzt bewegen.

So beginnt das Ballett „Amadeus“ von Jaroslaw Jurasz und gleich geht es in eine heitere und ausgelassene Gesellschaftsszene. Amadeus im Mittelpunkt, umschwärmt von der Damenwelt, da greift er zu, wo sich Gelegenheit bietet − argwöhnisch betrachtet von Martin Schmidt als distinguiertem Erzbischof.

Ute Karadimow als Cäcilia Weber wittert ihre Chancen, führt dem Wolferl ihre Tochter Constanze in die offenen Arme, der geistliche Herr gibt seinen Segen. Bühne frei für Mozart und Constanze und den Mozart am Klavier, das ist der Pianist Mauricio Deiana, und er spielt jetzt solistisch den langsamen Satz aus Mozarts Klavierkonzert C-Dur, KV 467. Das ist die Musik zum Pas de deux für Jaume Bonnin in der Titelpartie und Masami Fukushima als Constanze. Nein, historisch korrekt geht es nicht zu in diesem Ballett der hoch motivierten Halberstädter Kompanie, bei dem Wiebke Horn mit wenigen Mitteln der Ausstattung die Zeit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts andeutet, vor allem aber den Tänzern in ihren fantasie- und stimmungsvollen Kostümen Raum gibt.

Zu erleben ist eine Abfolge von Episoden, Mozart der Verschwender in seiner Sucht nach dem Schein der Großen. Dafür muss Ann-Kristin Miltzow als Dienerin etliche Kleider herein schleppen um sie auch gleich wieder heraus zuschleppen. Dann der kindhaft Schelm, der energische Komponist, immer im Widerstreit mit dem Über-Ich des Vaters, getanzt von Keigo Nozaki. Auch wenn es historisch längst widerlegt ist, die feindliche Konkurrenz zwischen Mozart und Salieri gibt Anlass zu tänzerischem Wettstreit, und den kosten Stephan Müller als Salieri und Jaume Bonnin als Mozart, jeweils zu eigener Musik, voll aus.

Für die insgesamt nur achtköpfige Kompanie, verstärkt durch die Tanzstatisterie und Mitglieder des Jugendballetts sind rasche Wechsel angesagt. Eben noch als Karnevalsgesellschaft auf der Bühne müssen sie im nächsten Moment schon als wirbelnde Noten in den Bildfantasien des Choreografen die musikalischen Eingaben des Komponisten visualisieren. Mit dem Tod des Vaters beginnt auch für Mozart der Abschied vom Frohsinn, die Geldsorgen werden größer, Constanze verlässt ihn mit den Kindern und den ominösen Auftrag für das unvollendete beliebende Requiem überbringt und bezahlt niemand anders als Salieri in Verleidung. Jetzt folgen rastlose Szenen, manchmal wirkt es, als machte Mozart die eigene Musik Angst, etwa wenn er zu den düsteren Motiven aus „Don Giovanni“ sich einsam, wie in trancehafter Todessehnsucht bewegt. Vielleicht ein wenig zu stark gemeint in der Choreografie, zu Ausschnitten aus dem Requiem, der frühen Missa brevis und der späten, ebenfalls unvollendeten, emotionsreichen Missa in c-Moll, immer das entsprechende Material der Bewegung zu finden. Da können auch bei höchstem Einsatz die Tänzerinnen und Tänzer nicht immer standhalten vor den Emotionen der kräftig zugespielten Musik.

Am Ende ist Mozart, aller irdischen Verhüllung entledigt, selbst als Note eingegangen in seine Musik, umhüllt, erhoben, geborgen und gefeiert von seinem Publikum, ganz besonders zur Uraufführung des Balletts „Amadeus“ vom begeisterten Publikum in Halberstadt.

Hier hat man die Spitzenschuhe nicht ausgezogen und verzichtet nicht auf die Strenge klassischer Grundierung. Wie sich klassische Tugenden und Mittel neuerer Tanzformen verbinden lassen zeigt dieser Abend und das gelingt aufs Ganze gesehen auch. Jaroslaw Jurasz, Choerograf und Ballettchef am Nordharzer Städtebund-Theater hat hohe Ansprüche an die Kompanie, nicht jeder Tänzer kann seine Höhenflüge mit sanfter Landung beenden. Oder ist die Grundlage für den Tanz hier nicht ausreichend? Man hat den Eindruck, wären diese Grundlagen, konkret der Tanzboden und die Möglichkeiten der Verlegung, gerade überm abgedeckten Orchestergraben besser, man könnte noch größere Sprünge machen in Halberstadt. Das Publikum, so die eindeutige Reaktion am Premierenabend, sähe es gerne.
 

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