Nie darf der Holocaust vergessen werden

„Around Dark Matter“ von Mica Dvir in München

Die Israelin Mica Dvir stellt sich der Erinnerung – aus dem verunsicherten Gefühlszustand der „dritten Generation“ heraus, die zwangsläufig nicht mehr unterscheiden kann, in wieweit das persönliche Erinnerungsbedürfnis von der offiziellen Erinnerungskultur beeinflusst ist.

München, 11/05/2013

Nie darf der Holocaust vergessen werden. Aber wie die Erinnerung wachhalten, das ist die Frage aller Fragen. Die Israelin Mica Dvir stellt sie sich – aus dem verunsicherten Gefühlszustand der „dritten Generation“ heraus, die zwangsläufig nicht mehr unterscheiden kann, in wieweit das persönliche Erinnerungsbedürfnis von der offiziellen Erinnerungskultur beeinflusst ist. Hartnäckig dennoch, begibt sie sich in ihrer Tanztheater-nahen Performance „Around Dark Matter“ auf die Suche nach ihrem eigenen Erinnerungsempfinden im Münchner i-camp.

Es ist ein wohltuend sachlich sprödes Umkreisen dieser „finsteren Materie“: mit den bekannten KZ- und Ghetto-Entsetzensbildern; mit den während ihres monotonen Raumausschreitens, später auch Stolperns und Vornüberkippens, aufgesagten Litaneien aus den Grauensstichwörtern des NS-Regimes – Blitzkrieg, Auschwitz, Maidanek, Sobibor, Goebbels, Himmler, Kristallnacht, Gaskammern, Massengräber, Endlösung.

In einem projizierten Film wandelt sie durch das Steinlabyrinth des Berliner Holocaust-Denkmals. Live rattert sie die Holocaust-Museen quer über den Globus herunter. Aus einem Stapel von Aktenordnern mit endlosen „Projekten zur Erinnerung“: an den konfiszierten jüdischen Besitz, den Hunger, die Alpträume der Holocaust-Opfer, die emotionale Versehrtheit der 2. und 3. Generation, baut sie eine Mahnmal-Wand auf. Sie erzählt, dass sie Berichte von Überlebenden gelesen, dann das Licht ausgemacht habe, um das Leid nachzuempfinden – und hätte nichts gefühlt. Das ist radikal ehrlich. Schließlich stellt sie tänzerisch sich räkelnd ihren bewegungs- und lebenshungrigen Körper aus: in schwarzem Bikini, mit zwei Judensternen auf dem Oberteil. Provokanter Protest gegen den gesellschaftlichen Erinnerungszwang? Eine Israelin kann solches wagen.
 

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