„Intermezzo“ von Aterballetto

„Intermezzo“ von Aterballetto

Schön, streng, anders

Das Aterballetto mit „Serata Strawinskij“ im Ludwigshafener Palzbau

Das Aterballetto aus der italienischen Provinz – mit Sitz in einem Industriedenkmal in Reggio Emilia und ohne Anbindung an eine feste Bühne – gehört zum wichtigsten Kulturexport Italiens. Man könnte, hat man sich in der Provinzstadt gedacht, daraus doch auch einen Kulturimport machen.

Ludwigshafen, 30/10/2013

Das Aterballetto aus der italienischen Provinz – mit Sitz in einem Industriedenkmal in Reggio Emilia und ohne Anbindung an eine feste Bühne – gehört zum wichtigsten Kulturexport Italiens. Man könnte, hat man sich in der Provinzstadt gedacht, daraus doch auch einen Kulturimport machen. So wurde das diesjährige Gastspiel des Aterballetto im Ludwigshafener Pfalzbau begleitet von einer fulminanten Bildershow, in der die Mitglieder des Ensembles den architektonischen Mix aus Historie und Moderne ihrer Heimatstadt augenfällig in Szene setzen. Beinahe schade, dass die achtzehn Damen und Herren für gewöhnlich nicht Arkaden, Brunnen, Brücken und Industriehalden der Stadt bevölkern, sondern die großen europäischen Tanzböden. Der unaufhaltsame Aufstieg des Aterballetto ist verbunden mit Mauro Bigonzetti, der als Tänzer, Choreograf mit seinem überaus publikumswirksamen Stil den Erfolg des Ensembles prägte. Im diesjährigen Tourneegepäck hat die Kompanie dann auch ein pures Bigonzetti-Programm, drei Choreografien zu Kompositionen von Strawinsky.

Im „Sacre du Printemps“-Jubiläumsjahr durfte natürlich seine Version nicht fehlen („Le sacre“, uraufgeführt 2011 in Baden-Baden). Aus kunstvoll zusammengewürfelten Menschenhaufen schälen sich immer wieder Einzelne in langen Solos und Pas de Deux heraus. In einer exzessiven, archaischen Bewegungssprache – überraschend weit weg vom neoklassischen Formenkanon – formt er abstrakte, fast geometrisch wirkende Körpergebilde. Bigonzetti nimmt dabei die fast verstörende Energie der Musik verblüffend elementar auf – und lässt seinen Sacre nicht wie üblich mit dem Opfertod, sondern mit einem symbolischen Bild von der Übertragung der Kraft des Weiblichen auf das Kollektiv enden.

Inhaltlich gegen den Strich gebürstet hat er auch „Les Noces“ (2002), eine vielfach choreografierte Hommage Strawinskys an die ausgelassene Festfreude einer russischen bäuerlichen Hochzeit. Bei Bigonzetti ist die Bühne der Austragungsort eines rituellen Paarkampfes. Frauen und Männer sitzen sich auf vielseitig einsetzbaren niedrigen Stühlen gegenüber, ein langer Metalltisch in der Mitte ist der Schauplatz für Selbstdarstellung und Begegnung. Zwischen Männern und Frauen geht es mit äußerster, konzentrierter Kraft und kein bisschen sanft zu. Streng, stark und absolut gleichberechtigt ist dieses tänzerische Kräftemessen, in dem die Grenze zwischen Liebesspiel und Zweikampf verschwimmt.

Beim erstmals in Deutschland gezeigten „Intermezzo“ (2012), einer Choreografie für vier Paare, stimmt die Chemie der Geschlechter wieder. Zur Suite Italienne von Strawinsky inszeniert Bigonzetti ästhetisch atemberaubende Pas de Deux, in denen das neoklassisch geprägte Bewegungsrepertoire bis an die physischen Grenzen erweitert wird: Aterballetto, wie es das Publikum kennt und liebt.
 

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