„Nelken“ von Pina Bausch

„Nelken“ von Pina Bausch

PINA40

NRW-Auftakt mit „Nelken“

Nordrhein-Westfalen steht im November im Zeichen von PINA40. Die Premiere von „Nelken“ läutete den Veranstaltungsmarathon Donnerstagabend im Opernhaus Wuppertal ein. Mehr denn je wird in diesem Jahr auch über die Zukunft des Tanztheater Wuppertal und Pina Bauschs Werk spekuliert und nachgedacht.

Wuppertal, 02/11/2013

Nahezu das gesamte Bausch-Erbe haben die Foundation Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal aufbereitet, um zu demonstrieren, dass hier das epochale Lebenswerk einer Künstlerin nicht konserviert, sondern lebensfähig erhalten werden soll. Highlight unter den Aufführungen von insgesamt acht Stücken in Wuppertal, Düsseldorf und Essen ist der Strawinsky-Abend „Frühlingsopfer“ mit der Rekonstruktion der Frühwerke „Wind von West“ und „Der zweite Frühling“ verbunden mit Bauschs aufwühlender Version von „Le Sacre du Printemps“ (ab 22.11. in Wuppertal, am 26.11. in Essen). Auch Filme von, mit und über Pina Bausch und dem Tanztheater stehen auf dem Plan, z. B. „pina“ von Wim Wenders in 3D und „Die Klage der Kaiserin“ von Bausch und der Fellini-Streifen „Schiff der Träume“ mit Bausch als blinder Adeliger (u.a. beim Filmmarathon in Wuppertal von 11 bis 24 Uhr am 2.11.).

Zu den Ausstellungen gehören Fotoshows von Walter Vogel in Wuppertal und Guy Delahaye im Französischen Kulturzentrum Düsseldorf sowie Installationen von Peter Pabst in Wuppertal. Die „Begegnungen“ geben Einblicke in Persönlichkeiten wie Mechthild Großmann im Gespräch mit Alice Schwarzer. „Werkstätten“ mit Norbert Servos bieten fundierten Hintergrund. Die Choreografen William Forsythe, Mats Ek und Anne Teresa De Keersmaeker sind als „Freunde zu Gast“. Die ehemaligen Bausch-Tänzer Fabien Prioville, Meryl Tankard, Raphaelle Delaunay und Morena Nascimento präsentieren eigene Choreografien im tanzhaus-nrw Düsseldorf (13.-17.11.). Tankard hält auch eine zweitägige Meisterklasse (16. und 17. 11.). Seit Bauschs Tod von manchen als deren potentielle Nachfolgerin favorisiert, ist diese nun sehr akut anstehende Personalie bisher ebenso Spekulation wie ein Tanzzentrum im zurzeit geschlossenen Schauspielhaus Wuppertal, u.a. für das öffentlich zugängliche Archiv. Neben dem Generationswechsel an der Spitze - wieder einmal - neue Gesichter im Nelkenfeld.

„Was tut man nicht alles, um geliebt zu werden“, hat Pina Bausch einmal gesagt. Auch in „Nelken“ rankt sich alles um die zwischenmenschliche Liebe mit all ihren Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchten, aber ebenso um lieblose Ungeduld, Grausamkeit und Demütigung. „Die Liebe ist so stark wie der Tod“, tönt es in einem Chaos von Bewegung, Stimmen und dem Klang des Variationssatzes aus Franz Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“. Mit hunderten rosa und roten Nelken ist der Bühnenboden besteckt. Vorsichtig staksen die Tänzer anfangs durch das Blumenfeld. Aber eine Stunde später sind fast alle Blüten niedergetrampelt. Am Bühnenrand kläffen schwarze Schäferhunde, während Fernando Suels Mendoza angstvoll dem Befehl des eiskalten Zöllners (Andrey Berezin) folgt, einen Hund, einen Frosch, eine Ziege und einen Papagei darzustellen. Angstschreie stößt Aida Vainieri aus, als sich vier Stuntmen von hohen Metallgerüsten auf aufgestapelte Umzugskartons stürzen und sich ihr dann mittels Rollen und Salti über einen Tisch nähern.

Erste Liebe, große Liebe, wie die Liebe zum Tanzen entstand, das waren einige der Stichworte, die Bausch ihren Tänzern 1982 während der Proben zu diesem Stück vorgab. Bei der Uraufführung stand über dem Schlusstableau mit allen Tänzern in ungelenker Pose des klassischen Port de bras „10 Jahre Tanztheater Wuppertal“. In der Folge wurde „Nelken“ eine der meistgefeierten Bausch-Choreografien. Bis vor kurzem tanzten noch einige Tänzer der Uraufführung mit, darunter Dominique Mercy, Lutz Förster, Helena Pikon und Nazareth Panadero. Sehr wehmütig sieht man die Neueinstudierung ohne einen einzigen dieser charismatischen Künstler - und ohne „die Pina“ inmitten ihrer Company beim Schlussapplaus. Diese Premiere zieht einen Schlussstrich, signalisiert aber tapfer und mutig auch einen Neuanfang. Denn fraglos packen und berühren Pina Bauschs Stücke auch mit anderen Tänzern - jedenfalls, solange noch die Originalbesetzung die Einstudierung verantwortet.
 

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