„GOLD ® - Ein Stück über den Virus Gier“ von Stiefermann/MS Schrittmacher

„GOLD ® - Ein Stück über den Virus Gier“ von Stiefermann/MS Schrittmacher

Getanzter Fund im Acker

MS Schrittmachers Uraufführung „GOLD ® - Ein Stück über den Virus Gier“

Kaufen, Verkaufen, Investieren, Sanieren, Verdrängen, Verschlingen - der Berliner Choreograf hinterfragt in seiner neuesten Tanztheaterproduktion die Triebkräfte der Krise.

Berlin, 08/11/2013

Kaufen, Verkaufen, Investieren, Sanieren, Verdrängen, Verschlingen - Choreograf Martin Stiefermann und das Künstlerkollektiv MS Schrittmacher hinterfragen in ihrer neuesten Tanztheaterproduktion „GOLD® - Ein Stück über den Virus Gier“ Triebkräfte der Krise.

Doch Baulöwen, Immobilienspekulanten, Börsenzocker – die Monster der Totalliberalisierung treten nicht ins Bild. MS Schrittmacher nähert sich der Krise von unerwarteter Seite. Die Gier nach Mammon, Sex und Macht entwickelt sich im Rahmen eines Märchenspiels mit fünf Akteuren auf großer goldgelber Wiesenfläche. Antje Rose, Brit Rodemund, Jorge Morro und Nicky Vanoppen, freundlich lachend in Boots und Bauernkluft; kreieren ihre Welt und schieben (diverse Seitenvorhänge) einen riesiger Belarus-Traktor ins Bild, gefolgt von Apfelbaum, Ziege, stillem Örtchen mit Herz (Ausstattung: Cordelia Matthes). Es war einmal eine Familie in ländlicher Idylle genügsam froh im gemeinsamen Tun bei Apfelernte und Kartoffellese. Bombastische Musik (Sir Henry)treibt das Quartett hüftschwingend beim Erntedank-Ländler an. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht der plötzliche Goldschatz im Acker. Kein Goldklumpen sondern eine personifizierte Goldmarie (Jessica Kammer-Georg) steht nackt schillernd vom Langhaar bis in die Genitalien. Geblendet aufheulend rennt Nicky Vanoppen davon; Antje Rose ist sofort entschlossen, ihre Hand nicht wieder vom Gold zu lassen. Beginnende Gier zersetzt die Gemeinschaft. Vergröberte, zerdehnte Bewegungen verraten Beweggründe. Alle verändern sich. Zu hechelnd trippelndem Xylophon knetet Jorge Moro die Goldmarie zu Boden und presst sie wie einen Dackel ans Schienbein. Brit Rodemund posiert mit offenen Haaren und devoten Knicksen. Die geordneten Bewegungen der Menschen münden in Gerangel. Hündisch werden. In kammermusikalischer Spannung von Musik und Szene landet das Gold auf dem Tisch. Hände werden gefaltet, doch jeder will seinen Schnitt machen und erwartungsgemäß erscheinen Luxusauto und Palme, der Swimmingpool wird ausgerollt.

Der Fund im Acker verführt, weckt die Gier, zerstört die Familie, die Gefühle, Religion und Umwelt. Die Performer rollen alle Vorhänge zusammen. Nichts bleibt. Alles schwarz, ohne Menschen. Das Gold versucht indes vergeblich den Glanz seiner Schönheit abzurubbeln und gräbt sich ins Schwarze – auf dass es erneut gefunden wird.

Trotz einiger ungenauer musikalischer und inszenatorischer Bruchstellen bleibt das Spiel der Akteure detailreich, hochengagiert und locker. Martin Stiefermann und seine künstlerischen Mitstreiter generieren in „GOLD ®“ eine getanzte Moritat von Schuld ohne Sühne, komisch, liebenswert, in der Reduktion von Bewegung und Zeichenhaftigkeit bemerkenswert abgründig. Gold, das zeigt die Performance, ist ein schöner Stoff; erst der Mensch gibt ihm seit Jahrhunderten seinen Feinunzen-Wert.
 

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