„Revolution won’t be performed“ von Sasa Asentic

„Revolution won’t be performed“ von Sasa Asentic

Die Revolutionäre auf der Fabrikbühne: ratlos

Sasa Asentic & MitarbeiterInnen mit „Revolution won’t be performed“ in der Kampnagelfabrik

Eine Performance mit Zuschauerpartizipation

Hamburg, 29/11/2013

Um es vorweg zu nehmen: Mit Tanz hat dieses Projekt nur am Rande bzw. gar nichts zu tun. Es ist eine nette Performance, die ihr Publikum ein wenig ratlos hinterlässt.

Das Publikum trifft sich zu Beginn im Kassenraum, wird in fünf Gruppen aufgeteilt und von den fünf Darstellern durch die Hinterräume der alten Maschinenfabrik zur kleinen Bühne der K1 geschleust. Schon auf dem Weg dorthin, im Lagerraum zwischen Scheinwerfern und Kabelrollen, weiht Sasa Asentic unsere Gruppe ein: Leider hätten einige Darsteller für die Performance abgesagt, jetzt fehlen Leute, und er bitte unsere Gruppe, doch möglichst auszuhelfen. Wir würden schon merken, wann es nötig sei. Man möge sich dann auf die Bühne setzen. Zu einem gewissen Zeitpunkt werde er „tot“ liegenbleiben – das sei der Moment, wo das Publikum wieder aufstehen und sich auf die Zuschauertribüne begeben könne. Aha.

Beim Betreten der K1 kommt es zum ersten Schlagabtausch, der an gruppendynamische Prozesse aus basisdemokratischen Initiativen erinnert: wer bekommt den Raum, wer war als erster da, wer hat die besseren Argumente, wie ist betroffener... Das entlockt schon ein erstes Schmunzeln. Das Palaver endet schlagartig, als auf eine riesige Leinwand im Hintergrund eine Dia-Show mit Szenen und Bildern aus der russischen Oktoberrevolution projiziert werden, gefolgt von Fotos aus dem spanischen Bürgerkrieg, begleitet von Kampfliedern. Es sind Bilder von Barrikaden, Soldaten, Agitatoren, geballten Fäusten, Schießereien, Toten, Demonstrationen, wütenden Gesichtern.

Eine der Performerinnen löst sich aus dem Publikumspulk, der immer noch auf der Bühne verharrt, und geht, einen englischen Text sprechend, der aufgrund der nuscheligen Aussprache kaum verständlich ist, zur Tribüne, auf der das Publikum normalerweise sitzt. Die Musik wechselt zu Liedern der Internationalen Arbeiterbewegung wie dem „Einheitsfrontlied“ (das schon Ton Steine Scherben neu vertont haben) oder „Bandiere Rossa“ aus Italien. Dazu nehmen die fünf Performer auf den Treppen der Tribüne jeweils Haltungen ein, die denen der Revolutionäre auf den Fotos entsprechen. Dann rennen drei von ihnen mit roten Fahnen um den Publikumspulk, eine schmeißt kleine Zettel in die Luft (Flugblätter!). Text: „Das Leben ist kein Kinderspiel... Du kannst nicht durchs Leben gehen, ohne in Frustration und Zynismus zu verfallen, wenn du nicht nach einer großen Idee strebst, die dich über persönliches Elend, über alle Schwächen, über alle Arten von Niedertracht und Gemeinheit erhebt. Jede Ideen, die im Feuer ins Bewusstsein eindringen, dringen fest und für immer ein. Der Zweck heiligt die Mittel nur, solange wie es etwas gibt, das den Zweck heiligt.“

Auf der Leinwand erscheinen Bilder aus Prag 1968, später auch noch von den 68-er Unruhen in Paris (mit Daniel Cohn-Bendit am Megaphon!). Plötzlich taucht mitten im Publikum ein nackter Mann auf (Sasa Asentic), er kriecht auch allen vieren, wird von einem anderen Mann mit Weidenruten auf den Rücken geschlagen, bis einige kapieren: Das ist der schon im Vorfeld angesprochene Moment, wo das Publikum einspringen soll. Und schon fallen einzelne – Frauen! – dem Drangsalierer in den Arm, entreißen oder entwinden ihm die Ruten und zerbrechen sie. Der erste spannende Moment!

Der nackte Mann legt sich einzelnen Zuschauern in den Schoß, vorher flüstert er ihnen ins Ohr, sie mögen eine Definition des Begriffs „Kunst“ ins mitgebrachte Mikrophon sprechen. Schließlich bleibt er „tot“ liegen, und das Publikum verzieht sich auf die Tribüne. Es folgen noch einige Etappen ähnlicher Art, das Publikum wird aufgefordert, die Frage zu beantworten, was man machen könne, um Protest auszudrücken, es soll eine einfache Schrittkombination mitmachen, es bekommt rote Fahnen und T-Shirts und Zettelchen mit Hello Kitty in Revolutions-Pose in die Hand gedrückt. Zum Schluss gibt es Sekt für alle. Und weil keinem so recht klar ist, ob’s das jetzt war oder nicht, folgt noch ein unverständlich auf Englisch gesprochener Abschlusstext, dann stellen sich alle in eine Reihe, und Sasa Asentic muss das Ende verkünden, damit (sehr lahmer) Beifall aufkommt.

Mag sein, dass so ein Stück mit einem anderen Publikum besser funktioniert. Gestern Abend hat es nicht geklappt. Dem Anspruch, über Revolutionen zu reflektieren und Tanz dabei als darstellerisches Mittel einzusetzen, wurde das Ensemble auf jeden Fall nicht gerecht. Revolutionen lassen sich eben nicht aufführen, jedenfalls nicht so.
 

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