„La Bayadere“ von Marius Petipa. Tanz: Evgenia Dolmatova

„La Bayadere“ von Marius Petipa. Tanz: Evgenia Dolmatova

Zauberhafter Orient

Mit Evgenia Dolmatovas als neue Gamzatti und zahlreichen Debuts brillierte das Bayerische Staatsballett abermals in „La Bayadère“

Technik, Ausdruck, Stil - die TänzerInnen des Bayerischen Staatsballetts versetzten die Zuschauer gekonnt in den fernen Orient.

München, 05/12/2013

Zur Serie von „La Bayadére“-Vorstellungen mit vielen Debuts gehörte die glanzvolle am 3. Dezember. Schon die ersten Tempelmädchen beeindruckten mit dezenter Stilsicherheit. Lucia Lacarra in der Titelrolle der Nikija und Peter Jolesch als irrig verliebter Großbrahmane erreichten in ihrer mimischen Darstellung eine Präsenz, die einen schaudern ließ. Ergreifende Dramatik entfaltete sich, weil Lacarra die Musik, sich ins Ende von deren Phrasen dehnend, im Einklang mit ihrer Ausdruckskraft zu nutzen weiß. Darin ist sie allen Kolleginnen dank ihrer gereiften Körperintelligenz voraus.

Als Freund der Jäger, die mit synchroner Präzision beeindruckten, hat sich Marlon Dino zu einem veritablen Ersten Solisten entwickelt: Seine Rolle als Solor füllend, stattlich, elegant und frei von Schwere ist er auch in den Pas de deux zum dezent-würdigen Partner Lucia Lacarras geworden, die ihren gedanklichen Reichtum herrlich austanzte. Im 2. Bild kombinierte Evgenia Dolmatova als Radja-Tochter Gamzatti helle Anmut und Erhabenheit mit anmaßendem Stolz und zeigte starke Sprünge und Balancen, die nötig sind, um das zu spielen. Drehungen sind ihre Sache weniger, aber kleine Schwächen trübten nicht den Gesamteindruck, dass der von der Linie der Ballettakademie in Kiew geprägte Duktus dieser neuen Gamzatti hohes Niveau hatte, das im Zusammenspiel mit ihrer Rivalin gut zum Tragen kam.

Beeindruckten schon der Djampe-Tanz Mai Konos und Giuliana Bottinos sowie die Mädchengruppe im Palast des Radja durch ihren Schwung, zeigte das große Defilee im Garten des Palastes, dass Tanz immer ein junges Metier bleibt. Selbst die Statisten schritten an diesem Abend mit rhythmischer Dynamik. Was also erst, als sich „Bosl-Kinder“ und professionelle Tänzer in großer Zahl bewegten? Ein luftiges Farbenspiel ohnegleichen erfreute in der so prächtigen wie leichten Ausstattung von Tomio Mohri, die Konstanze Vernon mit viel Geschick zu finanzieren wusste. Deren Kostbarkeit trägt dazu bei, dass man dieses großartige klassische Ballett als Vernons vornehmlichstes Erbe ansieht. Ivan Liška erweist sich auch dadurch als würdiger Nachfolge-Direktor, dass er seine Kompanie mit den von ihm engagierten Tänzern und Ballettmeistern so zum Tanzen bringt wie an diesem Abend!

Hervorzuheben sind auch das vitale Debut von Claudia Ortiz Arraiza im Hindu-Tanz und die hohe Qualität aller zehn TänzerInnen, die den Grand Pas um Gamzatti und Solor schmückten. Szenisch war es eine Freude, wie Marlon Dino erkennen ließ, welche Ambiguität diese Beziehung für Solor hat, der doch Nikija liebt. Und was Evgenia Dolmatova angeht: Eine schöne Gamzatti muss so hochnäsig sein, damit man mit Nikija leidet. Wahre Spannung aber vermittelte Lacarra, als sie, erhaben in ihrer moralischen Überlegenheit, getragen tanzte und im nächsten Augenblick über die Bühne wirbelte, in unschuldiger, mädchenhafter Freude über die Blumenschale von Solor – in der bekanntlich die Giftschlange versteckt ist, die ihr den Tod bringt.

Im Reich der Schatten zeigte Stephanie Hancox sicher und elegant, dass sie auch klassisch immer besser unterwegs ist. Die ihr folgenden Tänzerinnen debütierten: Das verspielte Tempo der 2. Variation war Mai Kono wie auf den Leib geschnitten, und in der wohl schwierigsten 3. Variation bewies Ivy Amista, wie stark sie Balancen halten kann. Solide, doch nicht spektakulär, debütierte Jonah Cook als Goldenes Idol. Dann folgte das finale Trio der drei Protagonisten: Solor, trotz seines mit Nikija durchtanzten Opiumtraums vom Radja zur Hochzeit mit dessen Tochter gedrängt, bringt aufgrund seiner Irritationen durch Nikijas Schatten die innere Welt Gamzattis immer wieder zum Zusammenbruch, denn sie merkt, dass seine Seele für sie einfach nicht frei ist. Evgenia Dolmatova zeigte Gamzattis Kampf zwischen wütender Verzweiflung und energischem Zugriff auf ihn gut nachvollziehbar, bis Nikija, auch in der Entsagung überlegen, ihn freigibt. Dann bewirkt der Schwur, den Solor brach, dass der Tempel einstürzt, und unser Trio schwebt friedlich ins Nirwana...
 

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