„Afro-Dites“ von Jant-bi Jigeen

„Afro-Dites“ von Jant-bi Jigeen

„Afro-Dites“ ein Stück, das die Situation von Frauen im Senegal umkreist

Die senegalische Company Jant-bi Jigeen gastiert im Kurhaus Bad Homburg.

Für mitteleuropäisches Temperament unfasslich sind die emotional geladenen Szenen, in denen die Tänzerinnen mit rhythmischem Sprechgesang, Klatschen und einfachen Bewegungsfolgen lautstark aus ihrer Lebenswirklichkeit erzählen.

Bad Homburg, 19/03/2014

Dank finanzieller Unterstützung durch den Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main (2013-2015) und dem Networking von Dieter Buroch, langjähriger Leiter des Mousonturm Frankfurt und Ko-Leiter des DANCE-Festivals München 2012, hat das Publikum nun auch nördlich von Frankfurt die Möglichkeit, internationale Tanzensembles zu kennenzulernen. Die Idee kommt offenbar gut an, das über 700 Zuschauer fassende Kurtheater in Bad Homburg ist gut gefüllt. Viele Besucher kommen von außerhalb.

Aktuell war die Company Jant-bi Jigeen aus Senegal zu Gast. Die Tänzerinnen zeigten mit „Afro-Dites“ ein Stück, das die Situation von Frauen im Senegal umkreist. Der Titel ist ein Wortspiel, das sich aus Afrika und dem französischen Imperativ von dire (sagen) zusammensetzt, den Namen der griechischen Schönheitsgöttin Aphrodite einschließt. Es ist eine gemeinsame Choreografie von Germaine und Patrick Acogny. Sie war Tänzerin und Assistentin bei Maurice Béjart, gründete 1998 in ihrer Heimat Senegal zusammen mit ihrem deutschen Ehemann und Manager Helmut Vogt das erste Tanzzentrum für traditionellen und zeitgenössischen Tanz in Afrika. Sie ist mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, gilt als charismatische Tänzerin und wird gefeiert als Grande Dame des zeitgenössischen Tanzes in Afrika. Ihr Sohn Patrick ist Choreograf und promovierter Tanzwissenschaftler, seit 2007 arbeitet sie mit ihm zusammen in ihrer „École des Sables“ am Strand von Toubab Dialaw, einem Fischerdorf südlich von Dakar.

Die rein weibliche Kompanie Jant-bi / Kaddu Jigeen (Stimme der Frauen) gibt es seit 2010, die Tänzerinnen stammen überwiegend aus den ländlichen Regionen im Westen Senegals. Sie leben mit dem traditionellen afrikanischen Tanz seit ihrer Kindheit. Germaine Acogny war die Erste, die den westlichen „schönen“ Bühnentanz mit dem geerdeten afrikanischen Tanz zusammen brachte, der ursprünglich nur den Göttern gefallen sollte, also rituellen Charakter hatte. Er ist wichtiger Teil der Kultur Westafrikas, den Acogny in anderen Choreografien auch mit dem rituellen Butoh aus Japan und dem deutschen Tanztheater in der Prägung von Susanne Linke kombinierte. In einem Interview sagt sie, Tanz sei „eine natürliche Erweiterung alltäglicher Bewegungen und immer an Gefühle gebunden.“

All das findet sich in „Afro-Dites“ in einer ungemein packenden, energetisch geladenen, pausenlosen 70-minütigen Performance. Die Musikcollage (Fabrice Bouillon-LaForest) ist eine Mixtur aus Alltagsgeräuschen, Stimmen, afrikanischen Trommelrhythmen und Computersound. Die Stimmungen reichen von fröhlich und vielstimmig laut, bis zu einsamen und bedrückend angstvollen Szenen. Die Frauen, gekleidet in schlichte Leggings mit bunten Tops, zeigen ihr Leben zwischen westlichen Konsumversprechen und afrikanischen Traditionen, zwischen selbstbewusstem Individualleben in der Stadt und Gruppenszenen im Dorf, dann in traditionellem Gewand und Kopftuch. Der Tanz mit nur einem Stöckelschuh macht wunderbar deutlich, wie hin- und hergerissen, verbogen bis zur Behinderung frau zwischen den Kulturen sein kann. Mit welchem Elan sie es aber auch angehen und für sich nutzen kann.

Für mitteleuropäisches Temperament unfasslich sind die emotional geladenen Szenen, in denen die Tänzerinnen mit rhythmischem Sprechgesang, Klatschen und einfachen Bewegungsfolgen lautstark aus ihrer Lebenswirklichkeit erzählen. Da ist es egal, ob das Publikum senegalesich oder französich versteht oder nicht. Auch Vergewaltigung, Diskriminierung oder das Bleichen der Haut als Schönheitsideal werden dargestellt. Eine Art umgekehrtes „Frühlingsopfer“ wird minutenlang im Kreistanz zelebriert: dabei geht es nicht um die Opferung einer Frau, sondern um deren Heilung und Rückkehr in die Gemeinschaft.

Das Bad Homburger Publikum war begeistert und applaudierte minutenlang. In Hessen besteht die nächste Möglichkeit das Ensemble zu erleben bei den Maifestspielen in Wiesbaden (15.Mai), dann sogar mit einem Vorab-Solo von Germaine Acogny.

 

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