„Toi et moi“ von CHATHA

„Toi et moi“ von CHATHA

Gemeinschaftlich allein

Festival „This ain't Africa“ auf Kampnagel Hamburg

Aicha M’Barek & Hafiz Dhaou präsentieren als tunesisches Künstlerduo CHATHA zwei gegensätzliche Arbeiten. Während „Do you believe me“ eine harmonische Gemeinschaft kreiert, thematisiert „Toi et Moi“ ebendiese Unmöglichkeit.

Hamburg, 13/04/2014

Von Katya Statkus

Als site specific Performance orientiert sich „Do you believe me“ immer wieder an den unterschiedlichen Raumsituationen der jeweiligen Spielorte: in Hamburg eignet es sich das Foyer auf Kampnagel an. Diese Raumangabe steht zwar schon auf dem Programmzettel, dennoch scheinen einige Zuschauer überrascht zu sein, als sie dort von einem Tänzer (Hafiz Dhaou) langsam umkreist werden. Mit seinem meditativen Drehtanz nähert er sich dem Publikum, um sogleich wieder in weiter entfernte Ecken der Vorhalle zu entschlüpfen. Er verschwindet kaum mehr sichtbar für die Zuschauer hinter einer Glasfassade, um sich dort gleich einer Fliege zu drehen und wieder zurückzukehren.

Seine Bewegungen muten zärtlich und vorsichtig an — besonders wenn es zur direkten Berührung mit den Zuschauern kommt. Seine eher ungewöhnliche Art zu tanzen ist spürbar ekstatisch. Die Spuren des Tänzers (auch die etwas übertriebenen Rosenblättern, die aus seinem Hemd heraus fallen) choreografieren das Publikum immer wieder aufs Neue, so dass das Foyer als klassischer Wartebereich im Theater seiner eigentlichen Funktion enthoben wird.

Interessanterweise wird im Kontext dieses Doppelabends die autonome Choreografie mehr als bezaubernder Auftakt für das „eigentliche“ Stück wahrgenommen. Denn es ist klar: das Foyer muss erst einmal durchquert werden, um zum eigentlichen Spielort zu gelangen, wo das zweite Stück stattfindet. 

Dieser Übergang vom fast magischen Drehtanz zum offiziellen Einlass vergeht wie im Flug: der Tänzer bewegt sich in Richtung Tür, um die Zuschauer mit einladenden Gesten in den Raum zu locken.

Die Aneignung des Foyers als bespielbaren und eher unkonventionellen Theaterraum in der unmittelbaren Gegenüberstellung zum eher konventionellen Theaterraum irritiert die Wahrnehmung des Publikums. Gleichzeitig thematisiert und verhandelt der Doppelabend den theatralen Raum in seinen Hierarchien.

Mit einer klassischen Zuschauersituation folgt das zweite Stück des Abends, „Toi et Moi“. Auf der Bühne bewegen sich zwei Tänzerinnen (Stephanie Pignon und Amala Dianor). Sie wirken wie abgetrennt und entwickeln unabhängig voneinander ihre jeweils eigene Bewegungssprache: erdrückend, eckig und trotzdem plastisch. Als sich in einem Moment ihre Blicke treffen, bewegen sich die beiden fortan überwiegend unisono. Beide Sprachen scheinen sich zu vereinigen. Dennoch erlaubt uns ihre lang voneinander getrennte Vorbereitungsphase nicht, diesen späteren gemeinsamen Tanz als eine Vereinigung zu sehen. Während der Soundscape mit Klängen von Feuergefechten und Hubschraubern, Bilder an die gewaltige tunesische Revolution auslösen, erinnert dieser Tanz an Menschen, die, obwohl sie gemeinsam in den revolutionären Reihen stehen, trotzdem ganz verschiedene Inhalte vertreten.
 

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