„Fifth Corner“ von Guido Sarli

„Fifth Corner“ von Guido Sarli

„Schwanensee aktuell“, junge Experimente, kostbare Senioren

Tanzgala im Opernhaus Graz

Kein Zirkus, sondern choreografische Sprachen

Graz, 13/05/2014

Das muss man erst einmal zusammenbringen: Darrel Toulon, der kürzlich im Zuge des bevorstehenden Intendantenwechsels an der Grazer Oper seinen Abschied (mit Ende der Spielzeit 2014/15) angekündigt hatte, bewies letztes Wochenende erneut, wie man mit begrenztem Budget im Rahmen einer Tanzgala sowohl das eigene Ensemble mit Orchester unter Florian Erdl als auch verdienstvolle Gäste und Nachwuchs in unterschiedlichen choreografischen Sprachen präsentieren kann. Eine Gala zwecks unterhaltsamer Fortbildung? Der Tanzdirektor selbst führt launig durch das dreistündige Programm, preist die neuen T-Shirts an, erklärt so manchen Inhalt, spricht von Entdeckungen, die er im Rahmen seiner Jurortätigkeit macht, vom Umgang mit dem Älterwerden im Tanz und hat das Publikum blitzartig auf seiner Seite. Tanz will um seines ersprießlichen Fortkommens wegen beworben sein, ganz besonders in den Bundeshauptstädten, und Toulon ist sich dafür nicht zu schade. Nicht von oben herab sondern mit den Menschen scheint seine Devise zu sein.

Er hat auch dieses Mal keinen zirkusähnlichen Galamarathon kuratiert, sondern mehrere dramaturgische Stränge ineinander verflochten. Das Thema „Schwanensee aktuell“ war nicht nur durch Sequenzen aus seiner eigenen „Schwanentrilogie“ (Sibelius) vertreten, sondern auch durch das Duett aus dem 2. Tschaikowsky-Akt von Ballettchef Pascal Touzeau (ballettmainz) mit Anne Jung und Christian Bauch. Dem Wiesbadener Chef Stephan Thoss luchste Toulon die gewöhnlich nicht bei vermischten Abenden gezeigte, heftige Auseinandersetzung zwischen Odette (Laia Garcia Fernandez) und Rotbart (Tenald Zace) aus dessen Interpretation „Zwischen Mitternacht und Morgen: Schwanensee“ ab und ließ die dafür notwendige Szene mit Ensemble von eigenen Tänzern interpretieren; geprobt von Thoss’ Ballettmeister. Das gefällt nicht nur dem enthusiastischen Grazer Publikum, sondern bringt auch dem lokalen Ensemble neue Herausforderungen. Sogenannte „Sneak Previews“ der derzeit im Entstehen befindlichen Uraufführungen vom Briten James Cousins (u. a. Ex-Tänzer bei Matthew Bourne) und dem slowenischen Duo Rosana Hribar & Gregor Lustek mochte man gleich als Appetizer für die Premiere auf der Studiobühne am 18. Mai mitnehmen. Toulons Auge für junge Choreografie konnte man neben Hung-Wen Chens Duett „V.V.V.“, das beim „No ballet“-Wettbewerb in Ludwigshafen 2013 ausgezeichnet worden war, am Beispiel des Duos Guido Sarli & Manuel Rodriguez trauen. Ihr exzellent getanztes Herrentrio „5th corner“ ließ erkennen, wie stark der Einfluss von Ohad Naharins „erdigem“ Tanzstil und seiner Batsheva Dance Company auf etliche junge Kreateure ist. Sarli & Rodriguez arbeiten in der nächsten Saison mit den Grazern. Viel Applaus gab es auch für Michael Bronczkowski und Manuel Wahlen im Differenzen auslotenden Duett „Alter Ego“ (Alva Noto) von Gießens Tanzchef Tarek Assam.

Älter werden und trotzdem tanzen. Wie wunderbar, dass sich das Tanz- und Körperbild während der letzten Jahre doch stark erweitert hat und vor der Anzahl der Geburtstage keinen Halt mehr macht. Tamako Akiyama und Dimo Kirilov Milev, die kürzlich in Kopenhagen einen Choreografie-Preis gewonnen haben, faszinierten mit ihrem außerhalb von Zeit- und Schwerkraft-Grenzen angesiedelten, atmosphärischem, zeitgenössischem Duett „Aimless“. Auch dem Mannheimer Ballettintendanten Kevin O’Day, den man noch gut als Tänzer bei Twyla Tharp erinnert, sieht man, mit Partner Robert Glumbek in den Lebensabschnitte thematisierenden „Vier Jahreszeiten“ zu Max Richters rekomponiertem Vivaldi gerne zu. Dresdens David Dawson bedankt sich in dem lyrischen „Opus 11“ (Greg Haines) bei seinen Tänzern Courtney Richardson und Raphael Coumes-Marquet für die jahrelange Zusammenarbeit. Und Neumeier-Muse Heather Jurgensen kehrte mit „Invisible Grace“ an der Seite von Kiels Ballettchef und Choreograf Yaroslav Ivanenko noch einmal auf die Bühne zurück. Den niveauvollen Auftakt zu diesem herzlichen, emotionalen Abend hatten Vladimir Malakhovs Solisten Rainer Krenstetter und Marian Walter mit einem Duett aus Roland Petits „Proust“-Ballett gemacht.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge