„Plage Romantique“ von Emanuel Gat

„Plage Romantique“ von Emanuel Gat

Ganz und gar nicht romantisch

Emanuel Gat mit „Plage Romantique“ beim Sommerfestival auf Kampnagel

Uraufgeführt im Juni 2014 beim Festival Montpellier Danse, gab der Titel des Stücks zu schönsten Phantasien Anlass. Romantisch wird es allerdings nur für wenige Augenblicke.

Hamburg, 27/08/2014

Der Titel gab zu schönsten Phantasien Anlass – weshalb Michael Löhr, einer der neun Tänzer, gleich zu Beginn zum Mikrofon schreitet und verkündet: „Nur damit Sie Bescheid wissen: romantisch wird’s jetzt nicht.“ Romantisch wird es aber dann doch, allerdings nur für wenige Augenblicke. Denn gleich nach Michael Löhr tritt einer der anderen Tänzer mit einer E-Gitarre ans Mikro und beginnt, eine zarte Melodie zu zupfen. Bis eine grölende und johlende Meute kommt, die aus dem schwarzen Hintergrund zusammenstürmt und ihn übertönt. Sie rennen und jagen einander dabei über den gesamten Tanzboden, allesamt in normaler Freizeitkleidung, sie kreischen und schreien, ohrenbetäubend. Um dann jäh zu verstummen. Und weiter zu rennen.

In dieser Art setzt sich das ganze fort – ungefähr 45 Minuten lang. Es ist ein ständiges über-die-Bühne-Hetzen, sich-ineinander-Verrennen, umeinander-herum-Laufen, sich packen, jäh stoppen, zusammenprallen, innehalten, weiterrennen, wieder stoppen, gepaart mit mancherlei Verrenkungen von Armen und Händen, Beinen und Füßen. Aber das Laufen ist das Hauptelement der Bewegung, ein wildes Vorwärtsstürmen, ungebärdig, unbändig, wild.

Immer wieder versucht der Gitarrenspieler, sein Lied zu spielen und sich gegen die Meute durchzusetzen, aber es gelingt ihm einfach nicht. Die Tänzer rufen einander einzeln mit Namen, erzeugen Geräusche mit ihren Körpern, aber dann obsiegt doch wieder die leise gezupfte Gitarre, mal leise, mal als Hintergrund-Sound. Nie aber hat sie das letzte Wort. Das haben die Tänzer.

„Was passiert, wenn der Raum zwischen dem Visuellen und Klanglichen gedehnt wird? Kann dieser Raum choreografiert werden?“ heißt es im Programmzettel. Und weiter: „Was kann uns Musikalität über Netzwerke, Systeme, soziale Strukturen und individuelles Verhalten erzählen? Kann die Musikalität einer Gruppe anthropologische Qualitäten haben?“ Ganz ehrlich: Mir waren diese Fragestellungen zu hoch. Antworten habe ich in der Choreografie des 1969 in Israel geborenen Emanuel Gat nicht gefunden. Wie ohnehin diese Intellektualisiererei dem Tanz nicht unbedingt dienlich scheint. Es ist so viel angenehmer, das Geschehen einfach auf sich wirken und den Kopf mal eine Weile ruhen zu lassen. Sich diesem Hin und Her auf der Bühne hinzugeben, sich einzuschwingen in den Rausch der Bewegung und innerlich davon mit- und wegtragen zu lassen.

Denn „Plage Romantique“, uraufgeführt im Juni 2014 beim Festival Montpellier Danse, ist zwar mit der Zeit etwas eintönig und ermüdend, weil sich die Bewegungsmuster doch arg wiederholen und man nie so richtig versteht, warum diese neun Tänzerinnen und Tänzer derart aggressiv aufeinander losgehen. Aber es ist gerade darin auch recht amüsant. Da kommt es zu sehr komischen Begegnungen, zu recht eigenartigen Verbindungen, Verschraubungen, Verknäuelungen.

Und sehr schön ist auch der Gag am Schluss: Da spielt und singt der Gitarrist-Tänzer nämlich dann doch sein (wirklich sehr romantisches) Liedchen, und alle anderen sammeln sich in einer Ecke und geben Küsschen-Küsschen. Grins. Ein schöner Abschluss des diesjährigen Sommerfestivals auf Kampnagel.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern