Dialog der Körper und Künste

„Transition“ von laborgras im Dock 11 Berlin

Um nichts weniger als eine Renaissance des zeitgenössischen Tanzes geht es dem Kollektiv laborgras. Verstanden als einen Gegenentwurf zum Konzepttanz, der Tanz mit unbotmäßigen Inhalten überfrachtete, notfalls auch ohne ihn auskam.

Berlin, 08/09/2014

Um nichts weniger als eine Renaissance des zeitgenössischen Tanzes geht es dem Kollektiv laborgras in seinen Recherchen. Verstanden als einen Gegenentwurf zum Konzepttanz, der Tanz mit unbotmäßigen Inhalten überfrachtete, notfalls auch ohne ihn auskam. Das trifft in keinem Fall auf die beiden führenden Köpfe von laborgras zu, Renate Graziadei und Arthur Stäldi. Nach „Retour“ mit seinem bekenntnishaften Titel zeigt das Team nun im Dock 11 die zweite Arbeit zum Thema. „Transition“ mag die umfangreichste, ambitionierteste Produktion sein, verknüft sie doch Tanz und Live-Musik. Der Aufwand hat sich gelohnt, allein schon, weil, selten genug im zeitgenössischen Tanz, ein Hauch Leichtigkeit und sogar Heiterkeit den knapp einstündigen Abend durchweht.

Er ereignet sich in einem wandhoch silbergrau ausgehängten Raum von gediegen glänzender Schönheit. Darin erschaffen die Tänzerinnen Arianna Rodeghiero, MariaGiulia Serantoni, Renate Graziadei und Rosalind Masson einen bewegten Kunstraum, dem die Musiker Julien Decoret, Ole Wulfers & Phoebe Killdeer den so inspirierenden und treibenden Klang verleihen. Wie sensibel der Tanz auf die teils elektronisch, teils direkt erzeugte Musik reagiert, gehört nicht unbedingt zu den Tugenden der zeitgenössischen Szene. Den Einstieg liefert zu einem Mix aus Rock und Jazz Graziadei im Solo, ehe sie ihre Kolleginnen aus der Kulisse holt. Mit Gängen duchmessen sie den Raum, elegant elastisch und fast showhaft. Fluten und Stillstand wechseln einander ab, als gelte es von Zeit zu Zeit, über die nächste Bewegungsstrategie nachzusinnen. Dass im Folgenden nirgendwo der Kontakt zwischen den Aktricen abreißt, baut wohltuend und spürbar Spannung auf.

Wohl aber ändert sich die Bewegungsqualität: Als die Musik einfach stoppt, macht sich auf der Szene Verunsicherung breit. Der Klangpartner für das Miteinander scheint verloren, neue tänzerische Angebote sind vonnöten, ein Übergang erforderlich. Den offerieren sanfte Klavierpassagen. Nach einer Phase der gegenseitigen Beobachtung, wie die Körper reagieren, entsteht ein Strudel, mit Graziadei als Drehzentrum. Wechsel im Klang werden wiederholt Auslöser veränderter tänzerischer Antworten, ob Blech geratscht, ein Speichenrad gestrichen wird oder gar die Stimme zum Einsatz kommt. Vier Einzeluniversen kooperieren dazu im Tanz, synchronisieren sich bisweilen, um sich wieder zum lauernden Beobachtungskontakt zu trennen.

Gegen Ende wird die szenische Aktion dynamischer, stemmt sich einmal Kopf gegen Kopf, findet sich das Quartett in gleichem Wollen. Schwer gerät Gehen zur metallenen Tonkulisse. Gut im Raum steht die Choreografie des Labels Graziadei & Stäldi, wirkt locker, flüssig, erfindungsreich in Wendung, Dehnung, Torsion. Am souveränsten beherrscht Renate Graziadei das Spiel mit der Isolation einzelner Körperteile. Ihre Soli sind die Glanzlichter von „Transition“, einem anregend pulsenden und unerwartet schließenden Dialog der Körper und Künste: Der Tanz zieht sich zurück, überlässt das letzte „Wort“ der Musik.

wieder 18.-21.12., Dock 11
 

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