Isabel Aguerrebere und Eduardo Esquivel bei „Lucky Trimmer“

Isabel Aguerrebere und Eduardo Esquivel bei „Lucky Trimmer“ 

Auf Mauer getrimmt

Das Tanz-Festival „Lucky Trimmer“ feiert 10-jähriges Jubiläum in den Sophiensaelen

Das gemeinnützig organisierte Festival funktioniert im Format „Short Dance“, das Clint Lutes, Begründer des Festivals, aus den USA importierte und diesem nunmehr zweimal im Jahr eine Plattform in Berlin gibt.

Berlin, 02/11/2014

Am Wochenende feierte „Lucky Trimmer“ seinen 10. Geburtstag in den Sophiensaelen Berlin. Seit vier Jahren sind sie Aufführungsstätte des gemeinnützig organisierten Festivals im Format "Short Dance", das Clint Lutes, Begründer des Festivals, aus den USA importierte und diesem nunmehr zweimal im Jahr eine Plattform in Berlin gibt. Ein mittlerweile treuer Publikumsstamm begleitet an zwei Abenden verschiedene choreografische Arbeiten mit einer Länge von maximal zehn Minuten.

Besonders zwei Arbeiten stechen an diesem Abend hervor. In dem Solo „Etzev“ von Tania Garrido Monreal, das 2011 mit dem 1. Preis des Festivals „Unidanza“ in Madrid ausgezeichnet wurde, verstrickt sich die wie eine Puppe anmutende und sich bewegende Tänzerin immer mehr in einem ‚Marionettenfaden‘, den sie unter ihrem rosafarbenen Kleid hervorzieht. Das blass geschminkte Gesicht erstarrt unter Umwickelungen des Fadens zu einer Maske, Hände und Füße verheddern sich in dem selbst aufgespannten Netz, bis sich die ‚Puppe‘ schließlich nicht mehr fortbewegen kann.

Isabel Aguerrebere und Eduardo Esquivel, die sich „Colectivo Tú y yo“ nennen, sind statt mit sich selbst, in ein Duo miteinander verstrickt. Wie zwei Magnete scheinen sich ihre Körper gegenseitig anzuziehen und abzustoßen, schaffen es weder, sich völlig voneinander zu lösen, noch ineinander aufzugehen. Die durch die Körper wandernden Kontaktpunkte zwischen den beiden geben die Bewegungsimpulse, die das Paar im Fluss halten. Die Füße des einen sind die Hände der anderen, mal dreht und rollt sie sich um seinen Körper, versetzt ihn ebenfalls in Rotation, dann ist es plötzlich umgekehrt, als würde seine Drehung ihren Körper bewegen. Immer zeigt sich ein ausgewogenes Kräftespiel, das sich durch Anziehung und Abstoßen permanent in Bewegung hält.

Erstmals ist eine Ausgabe des Festivals „Lucky Trimmer“ als Themenabend gestaltet. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Berliner Mauerfalls soll sich an diesem Abend alles um die Mauer drehen – Mauer auch jenseits der deutschen Geschichte als thematischer Überbegriff. Noch vor Vorstellungsbeginn stellen sich im Innenhof der Sophiensaele Performende zu einer menschlichen Mauer auf, die ihre Rückseite mit Buchstaben bekleben und sich so mit Mauersprüchen beschreiben. Es ist ein großes Thema, das die Möglichkeit für verschiedenste künstlerische Ansätze bietet. Vielleicht ist es ein zu großes Thema für einen so kurzweiligen „Lucky Trimmer“-Abend. Unabhängig von den einzelnen Leistungen der Tänzer wirkt das Mauerthema ebenso wie die Ankündigungstexte zu sperrig in den überwiegend sehr pointierten zehn Minuten Tanz. Die Mauer versperrt, bildlich gesprochen, gewissermaßen den Blick auf subtilere Qualitäten der einzelnen Darbietungen. Gleichzeitig sind die Stücke in ihrem Mauer-Bezug – wenn auch unterschiedlich umgesetzt – zu ähnlich, geht es doch in sechs von acht Stücken um persönliche und zwischenmenschliche Mauern.

Weniger tanzerfahrenen Zuschauern mag es anders gehen, doch mir fehlt an diesem Abend – wenn es denn schon um Mauern gehen soll – die Auseinandersetzung mit den Grenzen des eigenen künstlerischen Genres, also dem Tanz, dem Körper, der Bühnensituation als solcher. Gleichzeitig weckt die Ankündigung des Themenabends eine politische Erwartung, die mit dem in den Stücken abgedeckten Bereich des Zwischenmenschlichen kaum erfüllt sein dürfte.

Betrachtet man das Konzept des Kurzformats von „Lucky Trimmer“ und die einzelnen Arbeiten an diesem Abend jedoch jenseits der den Blick verstellenden thematischen Mauer, zeigen sich einige Momente von erstaunlicher tänzerischer Klarheit. Ein Abend, der punktuelle Einblicke in die Bandbreite aktueller Arbeiten junger, internationaler Tanzschaffender gewährt, die man gerne mit nach Hause nimmt.
 

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