„Tristan und Isolde“ von Sanja Nešković Peršin

„Tristan und Isolde“ von Sanja Nešković Peršin 

Der Tod als Anfang

„Tristan und Isolde“ signalisiert Aufbruchsstimmung an der Opera Ljubljana

Es ist die erste Ballettpremiere in der Ära der Ballettdirektorin Sanja Nešković Peršin an der Opera Ljubljana. Entstanden ist ein Gesamtkunstwerk, dessen monumental-düstere Ästhetik wie aus einem Guss erscheint.

Ljubljana, 05/11/2014

Das Eingangsszenario erweist sich als programmatisch für den weiteren Abend. Tristan steht bewegungslos mit dem Rücken zum Publikum auf leerer Bühne. Als sich der Nebel verzieht, weht einzig seine Schleppe minutenlang im Wind. Man lässt sich nicht hetzen in der Laibacher Oper und vertraut auf die Wirkung des Minimalen.

Dan Datcus Ballettversion von „Tristan und Isolde“ erzählt die tragische Liebesgeschichte in Symbolen und lässt verzweigte Handlungsstränge und üppige Figurenkonstellationen außen vor. Stattdessen stimmten die Verantwortlichen für Choreografie, Musik, Bühne und Kostüm ihre Konzepte dermaßen fein aufeinander ab, dass ein Gesamtkunstwerk entsteht, dessen monumental-düstere Ästhetik wie aus einem Guss erscheint.

Sašo Kalans zeitgenössische Komposition bereitet mit seinen kraftvollen Klangflächen aus Wabern, Summen und Pochen den Boden für die Inszenierung. Wobei Kalan der Choreografie den Freiraum lässt, sich auf rhythmische und melodische Eckpunkte zu beziehen oder unabhängig davon zu agieren. Wenn später Richard Wagners Originalpartitur aus der gleichnamigen Oper ertönt, so fährt deren Tonalität umso mehr in alle Glieder. Und das, obwohl die überforderte technische Ausstattung der Oper den Ton weitgehend übersteuert.

Die Kostüme von Uroš Belantič leben wie die Musik vom Kontrast. Kurz bevor man die Sinnhaftigkeit des stark verhüllten Ensembles hinterfragt – die Damen und Herren sind mit wehenden Kleidern, Schleppen, Kapuzen und Rüstungsassecoires bemäntelt – stellt das große Pas de deux von Tristan und Isolde in dezenter Minimalbekleidung deren Verletzlichkeit innerhalb einer starren Gesellschaftsordnung umso stärker aus. Ein zweites Plus der Schleiermode sind die nackten Arme der Tänzerinnen, die Jaka Šimenc auf düsterer Bühne, subtil beleuchtet. Denn der Choreograf Dan Datcu setzt das engagierte Corps de ballet über weite Strecken eindringlich als bewegliche Masse in Szene und knüpft mit diesem weichen, wellenartigen Stil an das oberkörperzentrierte Vokabular des Ausdruckstanzes der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts an. Der blutjunge Datcu schlägt sich tapfer in seiner abendfüllenden Choreografie und beschert dem Publikum unter anderem ein wunderschönes Pas de deux von Tristan (Lukas Zuschlag) und Isolde (Tjaša Kmetec). Eine radikal zeitgenössische Bewegungssprache und eine Figurenzeichnung mit differenzierten, sich entwickelnden Charakteren bleibt er jedoch schuldig.

Den Fortgang der Geschichte erzählt am eindeutigsten das Bühnenbild von Meta Grgurevič und JAŠA, eine mobile Deckeninstallation aus tropfenförmigen, durchsichtigen Stoffelementen. Anfangs türmen sie sich zu einem Wolkengebirge, später formieren sie die Schuppen eines Fisches, dann schimmern sie wie der Luster in einem Schloss. Zuletzt durchbohren sie als blutige Schwertklingen Tristan, den Helden.

In einer gekürzten Version erschienen auf www.kleinezeitung.at
 

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