Im Konsumrausch

„Schlagobers“ am Gärtnerplatztheater München

In seiner dritten Münchner Spielzeit, will sich Karl Alfred Schreiner selbst beweisen, dass er mehr, dass er es ernster kann. Ob das mit Richard Strauss' seltsam unausgeglichenem „Schlagobers“-Ballett als Saisonauftakt eine gute Idee war?

München, 14/12/2014

Karl Alfred Schreiner steckte diesmal in einem Dilemma. Als Tanzchef des Münchner Gärtnerplatztheaters fühlt er sich der Strategie seines Intendanten Josef Köpplinger verpflichtet, mit schmissiger Unterhaltung ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Und unterhalten kann Schreiner. Das komische choreografische Fach liegt ihm. Aber jetzt, in seiner dritten Münchner Spielzeit, will er sich selbst beweisen, dass er mehr, dass er es auch ernster kann. Ob das mit Richard Strauss' seltsam unausgeglichenem „Schlagobers“-Ballett als Saisonauftakt eine gute Idee war.

Das Libretto, von Strauss selbst verfasst (er soll ein Mehlspeisenliebhaber gewesen sein), ist schon etwas merkwürdig: ein Firmling schlemmt im Torten- und Konfekt-Sortiment einer Konditorei so ausgiebig, dass ihm übel wird und er auf dem Krankenlager endet. Heinrich Kröllers Wiener Uraufführung 1924 – während der Weltwirtschaftskrise, wo es wenig oder nichts zu beißen gab – kam nicht gut an. Aber dem Komponisten heuer zu seinem 150. Geburtstag und zugleich dem Publikum pünktlich zu Weihnachten eine getanzte Schleckerei zu kredenzen, das war einen Versuch wert.

Abgearbeitet hat sich Schreiner auf jeden Fall. Vor allem an Strauss, der ja für das süße Sujet keine schlichten taktgebenden hüpfigen Ballettmelodien geschrieben hat, wie wir sie von Ludwig Minkus und Riccardo Drigo kennen, sondern eine symphonische Partitur: farbig-klangdicht, zu Beginn heiter, im Krankenzimmer eher düster. Und während das Staatsorchester unter Marco Comin – auf erhöhtem Podest am hinteren Ende der schlauchartigen Reithalle – diese Stimmungen einfängt, meist allerdings zu krachert (Comin forciert wohl wegen der Entfernung zur Zuschauertribüne), sind Kellner, Pagen, Marzipane, Cupcakes und Knallbonbons unentwegt in Aktion. Die Tänzer stemmen und schieben riesige farbige Rechtecke, zu deuten als abstrahierte Kuchenstücke und Cremeschnitten, über die Tanzfläche, lagern in fingerschleckenden Posen darauf und rutschen genießerisch daran herunter. Zwischendrin und drumherum wird auch ständig wuselnd getanzt, immer in Schreiners bekanntem, von Hals über Wirbelsäule bis Fußgelenk wallend-wellendem Stil – den seine Tänzer phänomenal aalgleich beherrschen.

Man erkennt Schreiners Ziel, neue, leicht groteske Gesten einzuflechten. Sehr schön gelungen der längere Pas de deux von Ariella Casu und Davide Di Giovanni als Prinzessin Kakao und Prinz Kaffee. Insgesamt aber ähneln sich Vokabular und folglich die Figuren zu sehr. Ein Eindruck, der bei den Prinzessinnen Teeblüte, Praliné und Brombeere (Marta Jaén, Rita Barao Soares, Sandra Salietti) noch verstärkt wird durch identisch geschnittene, nur andersfarbige Kleidchen (Kostüme: Alfred Mayerhofer). Verschiedene Geschmacksrichtungen und Parfums, wie von Schreiner beabsichtig, waren in den Bewegungen nicht auszumachen.

Im Krankenzimmer wird Javier Ubells feingliedrig-flinker Firmling von einem hektisch-zappelig gestikulierenden Ärzte- und Schwesternteam herumgewirbelt. Und wenn er sich verdoppelt und vervielfacht – eine Reihe von Tänzern tragen dann wie er weißes Hemd und kurze Hosen –, ist unsere vernaschte Überkonsum-Gesellschaft gemeint. Die stürzt sich am Ende in einen schaumgefüllten Hollywood-Pool (Bühne: Kaspar Glarner/ Marco Brehme), badet sozusagen in Schlagobers. Das ist szenisch eindrucksvoll und auch richtig ausgedacht. Dennoch ist das Ballett zu artig, zu bemüht gesellschaftskritisch. Noch hat Schreiner nicht seinen choreografischen Weg gefunden. Vielleicht hätte er hier doch besser seinem komischen Talent freie Bahn gegeben und schräg-verrückt Sahnetörtchen, Quittenwürstchen und Zwetschgenmänner auftanzen lassen.

14., 16., 17., 19., 20., 21. Dezember, 19 Uhr 30, So. 18 Uhr
 

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