Klara und ihr Knacker

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In der Tat ist Peter Breuers neue Version des „Nussknackers“ am Salzburger Landestheater höchst reizvoll und gelungen, mit nicht historisierenden Bühnenbildern und Kostümen, die allerdings manchmal an den Haaren herbeizogen wirken.

Salzburg, 23/12/2014

Man kommt nach Salzburg, Metropole der Putzigkeit, gepflegt und stolz auf seine Tradition. Aber ehe einen das überkommt, wenn man mit der Bahn anreist, überrascht der noch ziemlich neue Bahnhof mit seiner gelungenen Architektur zwischen Alt und Neu, auf den die Wiener nur neidisch sein können und die Münchner auch (es gibt sogar einen Supermarkt, der sonntags öffnen darf). Der Fußweg zum schnuckeligen Landestheater, etwa 15 Minuten über den Mirabell-Weihnachtsmarkt und zurück durch den gleichnamigen Garten hinter dem Theater mit seinen verwunschenen steinernen Barockfiguren nach einer ebensolchen Aufführung von Peter Breuers neuem Nussknacker.

Mit ihm – nicht dem Nussknacker – war ich an der Düsseldorfer Oper am Rhein engagiert und durfte den Pas de trois in Erich Walters „Schwanensee“ tanzen, als Breuer der Prinz war. Besser ausgedrückt: musste ich tanzen. Denn eigentlich hatte ich vor den vielen Double Tours solche Angst, dass ich viele kleine Tode starb. Diesen Zustand teilte ich mit Helga Held, der Gastballerina aus Kölns besten Ballettzeiten, und Renate Deppisch – einer Technikerin, die wie Breuer aus der Münchner Schule stammte und ähnlich wie Joyce Cuoco eigentlich gar keinen Partner brauchte, außer bei Hebungen, da mochte sie einen Hauch an Unterstützung. Regelmäßig starben der einen vor dem Auftritt die Füße ab, und die andere musste schnell noch mal zur Toilette, was meine Nervosität nur noch steigerte! Als ich Peter zuletzt, weiß Gott wo, traf, und ihn fragte, was er denn als nächstes vorhabe, meinte er, den Nussknacker. Ich entgegnete nur: „Das habe ich ja schon vor 10 Jahren gesehen, in der Ausstattung von Pet Halmen. Im Vergleich dazu ist die Bonboniere Landestheater ja ein schlichter Zweckbau ...“ Und er antwortete: „Nein, nein. Jetzt ganz neu und anders. Das musst du sehen!“ - Konnte ich da widerstehen?

In der Tat ist seine neue Version höchst reizvoll und gelungen, mit nicht historisierenden Bühnenbildern (Court Watson) und Kostümen (Katja Schindowski), die allerdings manchmal an den Haaren herbeizogen wirken, zum Beispiel in der Schneeszene: Reifgestelle bis zum Knie, aber für den Stoff hat der Etat dann wohl nicht mehr gereicht. Scherz beiseite, ich habe mich keine Sekunde gelangweilt. Schon die Tatsache, dass Peter Breuer die originale, so filigrane Ouvertüre durch ein Stück von Philip Glass ersetzt, zur Begleitung des jungen Mannes (Yoshito Kinosito), der Freude daran hat, Mäuse zu quälen. Er wird später in den Nussknacker verzaubert und der kleinen Klara (Eriko Abe) den Kopf verdrehen, wenn er den Mäusekönig mit Hilfe von Drosselmeier (Josef Vesely) besiegt. An dessen Auftritten könnte auch Egon Madsen seine Freude haben. Er allerdings würde keine Perücke brauchen, nach drei Pirouetten schwindelig sein und sich nicht den Rücken wie beim Ischias halten. Dieser Drosselmeier kommt aber nicht allein zur Weihnachtsfeier, sondern hat eine (be-)zaubernde „Assistentin“ (Christina Uta), die aussieht wie Vivana Marrone – die in München als Feuervogel für Furore sorgte und dann in der Berliner Staatoper dem Hauptstadt-Publikum den Kopf verdrehte. Diese „Assistentin“ ersetzt die originale, sehr überflüssige Zuckerfee und Drosselmeier hat mit ihr die dankbare Aufgabe, die Figuren im Divertissement her zu zaubern. Eine geniale Idee, was den Nummern – Spanisch, Russisch, Chinesisch et cetera und Rohrflöten, die von Roland Petit nicht „pariserischer“ hätten erdacht werden können – dieses schwierigen 2. Akts einen erstaunlichen Zusammenhang bringt – ein Coup de theatre.

Ich habe noch nicht erwähnt, dass die Vorstellung mit einer Aufnahme (leider gibt das Programmheft keine Auskunft, wem wir den guten Klang zu danken haben) also ohne Orchester stattfindet. Das gibt den Tänzern mehr Platz, da der Orchestergraben überbaut ist. Und auch Court Watson hat sich zurückgehalten, bis auf zwei Eistörtchen für Klara und ihren Knacker, die als fahrbare, kühle Sitzgelegenheit dienen. Im schönen Grand Pas de Deux fiel mir auf, dass der Ballettchef die Protagonisten, die ja für einander ihre virtuosen Variationen tanzen, zuschauen und nicht – wie üblich – die Schuhe wechseln und sich keuchend in der Gasse erholen lässt. Dies und noch viel mehr ist mir aufgefallen, aber das zu entdecken überlasse ich den Lesern, es lohnt sich! Das Finale an diesem Sonntag mit Kindern, Ballettschülern, scheinbar unendlich vielen Tänzern riss das bis auf den letzten Platz nicht nur mit Einheimischen gefüllte Theater zu Beifallstürmen hin.

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