„FLA.CO.MEN“ von Israel Galván bei TANZ Bremen

„FLA.CO.MEN“ von Israel Galván bei TANZ Bremen

Menschliche Begegnungen

TANZ Bremen mit Israel Galván, Abou Lagraa, Honji Wang und Sébastien Ramirez

Müsste man die letzte Woche in Schlagworte fassen, ständen hohe tänzerische Qualität und ein neugieriges Publikum sicher ganz oben auf der Liste. Die Bremer scheinen begeistert von diesem vielfältigen Festival.

Bremen, 16/02/2015

Müsste man die letzte Woche in Schlagworte fassen, ständen hohe tänzerische Qualität und ein begeistertes Publikum sicher ganz oben auf der Liste. Die Bremer scheinen begeistert. Volle Theater, anhaltender Applaus, Bravo-Rufe und Fußgetrappel sind in der norddeutschen Hansestadt nicht unbedingt an der Tagesordnung. Nachvollziehbar ist diese Begeisterung. Denn verwöhnt ist Bremen in Bezug auf hochwertige internationale Gastspiele sicher nicht. Zwar bewegt sich in der freien Szene nicht wenig, und mit Samir Akikas Kompanie am Bremer Theater formiert sich ein neuer Publikumsmagnet, doch was in der letzten Woche zu sehen war, präsentierte die Vielfalt des internationalen zeitgenössischen Tanzes. Sensible Einblicke in die menschliche Psyche, die Breite menschlicher Begegnungen, seien diese nun interkulturell, zwischenmenschlich oder mixed abled, sowie emotionale und hoch durchdachte Auseinandersetzungen mit tradierten und neuen Bewegungsformen eröffnen ein Spektrum, das nicht nur tanztechnisch, sondern auch gesellschaftspolitisch Einiges zu erzählen hat.

Der Reigen der Deutschlandpremieren wird nach Marcos Moraus „Edvard“ und Christian Ubls „Shake it out“ mit „FLA.CO.MEN“ von Israel Galván fortgesetzt. Hier treffen Flamenco und zeitgenössischer Tanz, traditionelle spanische Gesänge und Neue Musik aufeinander. Tradition wird verhandelt, Neues ausprobiert und am Ende wirkt alles wie ein großer Schrei nach Freiheit in der Kunst. In einer Situation, die mehr an ein Konzert als eine Tanzperformance erinnert, spielt Galván auf seinem Instrument, dem Tänzerkörper, virtuos, ekstatisch und voller Spielfreude. Versucht er zu Beginn noch Flamencobewegungen aus einem Lehrbuch zu übernehmen, bewegt er sich schon bald weg von diesen tradierten und notierten Tanzsequenzen. Immer raumgreifender wird sein Tanz. Nicht nur Raum für den Körper, auch Raum für neue Gedanken scheint er damit einzufordern. Wenn sich am Ende alle Musiker für einen Volkstanz treffen, wird deutlich, dass sich Tradition und Moderne nicht ausschließen müssen, wenn ihnen spielerische Freiheit zugestanden wird. Das Publikum dankt mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen.

Vielleicht ist das ein roter Faden, der sich durch dieses Festival zieht: die Erfahrung, dass sich nichts ausschließen muss. In Abou Lagraas „NYA“ trifft HipHop auf Maurice Ravel und zeitgenössischer Tanz auf arabische Gesänge. In „Monchichi“ suchen Honji Wang und Sébastien Ramirez nicht nur nach der eigenen kulturellen Identität, die zwischen dem Herkunftsland der Eltern und der „neuen“ Heimat schwankt, sondern versuchen auch als Paar einen Weg der Kommunikation jenseits aller sprachlicher Barrieren zu finden. Und in den drei Choreografien der tanz_bar Bremen geht es schon im Titel um „Gemein – schaft...“, die in unterschiedlichster Form, mal ernsthaft nachdenklich und mal erfrischend humorvoll, von dem mixed abled Ensemble ausgelotet wird.

Vielleicht waren auf diesem Festival nicht die innovativsten Arbeiten des zeitgenössischen Tanzes zu sehen, es zeigt sich bewegungstechnisch aber dennoch Spannendes. Auf der Bühne sind Breakdance und Co. schon länger nichts Neues mehr, nun gehen sie jedoch mit zeitgenössischen Tanztechniken eine neue Verbindung im Bewegungsmaterial und vor allem in der Bewegungsqualität ein, die beide Seiten bereichert. Durchaus kraftvoller, rhythmischer und virtuoser wird der zeitgenössische Tanz, der wiederum Momente seiner Weichheit, Techniken des Partnering und eine Vielfalt an Ausdruckswelten an den HipHop abgibt. In welche Richtung sich dieses Zusammentreffen weiter entwickelt, bleibt spannend.

Wer sich dann doch lieber einmal gemütlich in einen Kinosessel lümmeln wollte, konnte und kann dies in den nächsten Tagen bei einem vielseitigen Programm an passenden Filmen noch im City 46 tun. TANZ Bremen ist damit vielleicht zu Ende, aber Bremen wird angesichts der großen Auslastung, der Begeisterung und Neugier des Publikums wohl weiter tanzen.

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