„Portrait Richard Siegal“ eröffnete die BallettFestwoche: „Unitxt“

„Portrait Richard Siegal“ eröffnete die BallettFestwoche: „Unitxt“

Pulsierende Energien

Die Ballettfestwoche eröffnet mit einem fulminanten „Portrait Richard Siegal“

Zu seinem 25-jährigen Jubiläum setzt das Staatsballett München auf einen dreiteiligen Abend des amerikanischen Choreografen Richard Siegal, der mit minimalen Techno-Beats und rasenden Körpern zu Jubelstürmen hinreißt.

München, 20/04/2015

„Noise – Signal – Silence“, so der Untertitel des dreiteiligen Abends von Richard Siegal, sind die Worte, die sich bei „Unitxt“ in riesigen weißen Lettern über die Projektionsfläche auf der Bühne schieben, und sich als einer der Ausgangspunkte für seine beiden darauffolgenden Stücke lesen lassen. Denn neben „Unitxt“ (2013) wird auch das 2014 am Ballet National de Marseille entstandene „Metric Dozen“ und die wenngleich meditativere Uraufführung „In A Landscape“ von minimalen Techno-Beats durchzuckt, und sucht die unmittelbare Konfrontation. Einmal mehr ist daher dieser Abend vor allem auch eine körperliche Erfahrung für das Publikum.

Der Abend beginnt mit den pulsierenden Rhythmen von „Unitxt“, das die Energien im Saal hochpeitscht. Zu Carsten Nicolais / Alva Notos titelgebender Musik reihen sich rastlos Bewegungssequenzen aneinander, Tänzerinnen und Tänzer marschieren in ihre Positionen, ein Spitzenschuh rammt sich gnadenlos zu metallenen Schlägen in den Boden. An den Griffen von Konstantin Grcics entworfenen Korsagen-Objekten werden die Tänzerinnen durch den Raum gewirbelt und über die Bühne geschleift. Schnelle Wechsel zeichnen die Choreografie aus. Nach einem Pas de deux entfernt sich die Frau, doch nur kurz bleibt der Mann auf leerer Bühne zurück, denn schon schiebt sich von der anderen Seite eine Männergruppe (herausstechend allen voran Dustin Klein) zu ihm, die Körper verzahnen sich in ihren Bewegungen. Alles geht blitzschnell, fügt sich kurz zusammen, um alsbald wieder Lücken aufzureißen. Insgesamt gewinnt das Stück auf der großen Bühne im Nationaltheater noch mehr Drive. Nach einer halben Stunde taumelt man atemlos in die erste Pause.

„In A Landscape“, das als neueste Kreation wie eine Zäsur zwischen den beiden hochenergetischen Stücken steckt, entschleunigt dann das Geschehen. Zwei weiße Wände ragen auf der Bühne auf, verschieben sich während der Choreografie kaum merklich, bilden Schneisen und umrahmen die Tanzenden wie Leinwände. Umhüllt von grau-schwarz-pinken Netzanzügen (Kostüme: Alexandra Bertaut) formen die Körper expressive Körperfiguren, bauen aus minimalem Bewegungsmaterial komplexe Systeme und schreiben sich in stimmungsvollen Bildern in den Raum ein. Bei der eingespielten Musik vermischen sich die sanften Melodiefragmente von Ryūichi Sakamotos Klavierspiel mit den Klicks und Bits von Carsten Nicolai – die Tracks stammen von ihrem gemeinsamen Album „Vrioon“. Entfernt erinnern die Töne an John Cages titelgebendes „In A Landscape“, gegen dessen Verwendung sich Siegal kurz zuvor entschieden hatte. Stattdessen wurde es zu einer Idee: die Bühne als abstrakte Landschaft, als Konstrukt aus verschiedenen Materialien und Formen (u.a. die schwarzen Objekte Grcics, die als Fortsatz und Gegenpol im Hintergrund sichtbar werden), die fast zufällig während der dreißigminütigen Choreografie aufscheinen und in immer neue Bezüge gesetzt werden. Über allem schwebt eine meterlange LED-Leuchte, auf der fortwährend ein roter Punkt läuft, der wie ein Scanner das Geschehen abtastet, bevor er am Ende im weißen Rauschen den Kontakt zu jenem verliert. Zurück bleibt einsam Ekaterina Petina und die über ihr schwirrende Drohne leuchtet harmlos wie ein Stern.

Während die beiden ersten Stücke mit Spitzenschuhen getanzt wurden, trippeln und voguen bei „Metric Dozen“ die Tänzerinnen und Tänzer – neben der Kompanie des Staatsballetts sind hier auch Gasttänzer des Ballet National de Marseille vertreten, die als charismatische Tänzerpersönlichkeiten überzeugen – mit Socken über die Bühne und kippen endgültig aus dem Rahmen des klassischen Balletts, an dem sich Siegal gerne reibt. Auch bei diesem Stück, das in München bereits als Gastspiel auf kleiner Bühne in der Muffathalle zu sehen war, gelingt es ihm schlagartig Wirkungen zu kreieren. Kühle Töne aus der Komposition Lorenzo Bianchi Hoeschs blitzen durch den Raum, einzelne Scheinwerfer tauchen die Bühne in gleißendes Licht. In ihren Kegeln schillern Gestalten in schwarz-silbrigen Bodies, präsentieren sich samt durch die Luft fliegender Schweißperlen. Mit dieser schwülen Discoatmosphäre endet ein berauschender Abend in Standing Ovations und minutenlangen Jubelstürmen.

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