Auftakt des Dance Festivals München: Kaori Ito mit „Asobi“

Auftakt des Dance Festivals München: Kaori Ito mit „Asobi“

Das Körperliche transzendiert

Auftakt bei der Münchner Dance-Biennale mit Kaori Ito und Saburo Teshigawara

Der zeitgenössische Tanz immer noch eine Insidersache? Der Auftakt von Dance hinterlässt den gegenteiligen Eindruck: rappelvoll die Muffathalle bei der Japanerin Kaori Ito, enormer Andrang bei ihrem renommierten Landsmann Teshigawara.

München, 11/05/2015

Der zeitgenössische Tanz immer noch eine Insidersache? Der Auftakt von Münchens Dance-Biennale (bis 17.5.) hinterlässt eher den gegenteiligen Eindruck: rappelvoll die Muffathalle, wo die Japanerin Kaori Ito mit den Ballets C de la B ihr „Asobi“ präsentierte. Enormer Andrang sowieso bei ihrem international renommierten Landsmann Saburo Teshigawara mit „Landscape“ im Carl-Orff-Saal/Gasteig.

In der streng geregelten japanischen Gesellschaft ist „Asobi“ eine Art therapeutische Erlaubnis zum gelegentlichen Über-die-Stränge-Schlagen – was Kaori Ito konsequent übersetzt: sie und ihre drei Mit-Tänzer paradieren vor einer milchig durchsichtigen und gleichzeitig spiegelnden Paneelwand (wir „Voyeure“ sehen uns manchmal auch darin), die jeweils die uns abgewandte bereits entblößte Körperhälfte zeigt. Zunächst noch in putzig-schrägen synchronen Vierer-Tänzchen, dann immer extrovertierter in Selbstdarstellungs-Soli, Erotik-Duetten und dampfenden Kampf-Akten, lassen sie exhibitionistisch innere Spannung ab. Was sich Ito dafür an skurril zuckenden Gesten einfallen ließ, an (als geradezu schmerzhaft identifizierten) aus den Gelenken gerenkten Bewegungen, an tollwütigen Boden-Figuren, das ist absolut auf der Höhe eines sich immer stärker fordernden freien Tanzes. Und die Akteure, lustvoll rücksichtslos gegen den eigenen Körper, geben alles.

Das tun auch Teshigawara und Partnerin Rihoko Sato – nur anders. Beide in schlichten schwarzen Outfits, tauchen sie wechselweise aus dem Dunkel der Bühne, erspüren ihre Tänze in Bachs Goldberg-Variationen und seiner Französischen Suite No. 2: die Arme wie Schwingen weich und weit ausgreifend, den umgebenden Raum streichelnd oder hart zerschneidend, die Füße leicht über den Boden flirrend. Zu John Cages „In a Landscape“ und den rhythmisch forcierten Techno-Kompositionen des exzellenten Live-Pianisten Francesco Tristano noch weitere Variationen, im Nachhall von japanischem Butoh und US-Postmoderne. Es ist eine unentwegte Zwiesprache mit der Musik: jetzt ein getanztes Gedicht, dann fast ein Gebet. Der Abend leuchtet zurück zum Expressionismus der Wigmans und Hoyers – ohne das vergangene Pathos. Hier tanzt ein Tanz, der das Körperliche transzendiert. Der Kunst ist. Und darin liegt der große Unterschied zu dem handwerklich gut gemachten „Asobi“.

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