„b.24“ am Ballett am Rhein mit Young Soon Hues „Illusion“ – Yuko Kato

„b.24“ am Ballett am Rhein mit Young Soon Hues „Illusion“ – Yuko Kato

Drei Varianten von Tanz heute

„b.24“ des Ballett am Rhein

Scheinbar mühelos bewältigen die Tänzer und Tänzerinnen die Uraufführungen von Young Soon Hue, Marco Goecke und Amanda Miller. Aber eine wirkliche Novität im facettenreichen Spektrum zeitgenössischen Tanzes fehlt diesem Programm.

Düsseldorf, 14/05/2015

Nur Amanda Miller war vorher schon einmal beim Ballett am Rhein zu Gast. Im Programm „b.15“ stellte sie sich vor zwei Jahren mit der Uraufführung von „Crop“ vor. Für Marco Goecke und Young Soon Hue ist es die erste Begegnung mit Martin Schläpfers Kompanie. Alle drei Gastchoreografen, die „b.24“ bestreiten, haben neue Stücke einstudiert. Miller lobt, man spüre, dass es diese Truppe gewohnt sei, sich vielseitig zu orientieren. Und das ist auch das Spannendste an diesem Abend. Scheinbar mühelos meistern die Tänzerinnen und Tänzer die drei „Handschriften“. Besondere Glanzlichter setzen Marlúcia do Amaral, Yuko Kato, Marcos Menha, Alexandre Simões, Martin Chaix, Marquet K. Lee und Sonny Locsin. Was diesem Programm fehlt – dem dritten erst ohne ein Werk von Martin Schläpfer und dem ersten ohne Granden wie Balanchine, Cunningham oder van Manen – ist eine wirkliche Novität im facettenreichen Spektrum zeitgenössischen Tanzes.

Eine kleine, klar strukturierte Geschichte erzählt Young Soon Hue in „Illusion“: eine Frau (Yuko Kato) sehnt sich nach Liebe und wird dabei von einem Schutzengel (Marcos Menha) begleitet. Als die Liebe (Alexandre Simões) leibhaftig vor ihr steht, strahlt die Frau – fällt bald aber doch wieder in Träume, Fantasien und Hoffnungen auf mitmenschliche Teilhabe zurück. Realität und Illusion wechseln sich ab, bis die Frau wieder in ihre Einsamkeit versinkt. Die Koreanerin, die vor Jahren im Ballett der Deutschen Oper am Rhein noch als Tänzerin auf dieser Bühne stand, hat sich choreografisch enorm entwickelt. Ihr klassisch geprägter, freier Stil ist geschmeidig, elegant und unverkrampft. Keso Dekkers edle, schwingende Samt- und Satinkostüme und das schwarze Ambiente mit silbrig schimmernden beweglichen Säulen unterstreichen die feine Ästhetik und Melancholie. Die Duisburger Philharmoniker mit Solisten aus den eigenen Reihen und bei allen drei Teilen geleitet von Wen-Pin Chien runden mit der Aufführung von Philip Glass‛ effektvoll minimalistischem Doppelkonzert für Violine, Cello und Orchester von 2010 den elegisch poesievollen Eindruck ab.

Gut durchdacht hat Amanda Miller ihre Idee für „Voices Borrowed“, parallel Tradition mit Moderne musikalisch und choreografisch zu verfremden. Die Damen tanzen auf Spitze in schrill bunten kurzen Tüll-Tutus, die Herren barfuß und in ebenso farbenfreudigen Bermudashorts mit gleichfarbigen T-Shirts und Hemden (Ausstattung Claus Stump mit Amanda Miller). Dazu erklingt ein Largo von Händel, gefolgt von einem Konzert für Streichquartett und Orchester nach Händels Concerto Grosso B-Dur op 6, Nr. 7 von Arnold Schönberg. Im Bühnenraum wetteifern üppige Barockgemälde mit einer Installation aus lose dekorierten, groben Stoffbahnen und einer zusammen genagelten Plattenwand. Gruppen, Paare und Solisten geben sich heiter und gefällig im Rokokostil. Ein tieferer Sinn erschließt sich nicht. Ein schmissiger oder gar bissiger Rausschmeißer ist das Stück aber auch nicht.

Dazu würde sich schon eher Marco Goeckes „Lonesome George“ eignen, ist aber als Filetstück des Programms in die Mitte gestellt. Ein Kabinettstückchen mit einem Augenzwinkern hat der Hauschoreograf des Nederlands Dans Theater choreografiert. Auch er spielt – wie seine beiden Kolleginnen – mit Gegensätzen. Der titelgebenden behäbigen, steinalten Riesenschildkröte, die vermeintlich als letzte ihrer Art bis 2012 im Pazifischen Ozean lebte, setzt er ein Denkmal mit einer viertelstündigen „danse furieuse.“ Der Zuschauer kann kaum so schnell gucken wie auf der Bühne Tänzerarme fuchteln, winken, sich abwinkeln, peitschen und beredt gestikulieren, Hände klatschen, Zehenspitzen in den Raum fliegen. Irgendwann verschluckt die diffuse Finsternis hinter der Rampe Solisten und Paare. Wird man zunächst an Hans van Manens stupendes Bach-“Solo“ für drei Solisten erinnert, so ist es schließlich Goeckes eigenes, stupendes „Äffi“, wenn Marlúcia do Amaral – oben ohne – ihre Muskeln spielen lässt. Grandios!

www.ballettamrhein.de

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