„Je ne suis plus une femme noire“ von Kettly Noël

„Je ne suis plus une femme noire“ von Kettly Noël

Wandlungen ins Unbekannte

„Je ne suis plus une femme noire“ von Kettly Noël

Kettly Noël kommt aus Port-au-Prince in Haiti und lebt heute in Bamako, der Hauptstadt von Mali. Als Tänzerin und Choreografin gilt ihr Interesse der eigenen afrikanischen Herkunft. Mit zeitgenössischem Tanz setzt sie festgefahrene Traditionen in ein anderes Licht.

Mannheim, 24/06/2015

Kettly Noël kommt aus Port-au-Prince in Haiti und lebt heute in Bamako, der Hauptstadt von Mali. Als Tänzerin und Choreografin gilt ihr Interesse der eigenen afrikanischen Herkunft. Mit zeitgenössischem Tanz setzt sie festgefahrene Traditionen in ein anderes Licht. „Je ne suis plus une femme noire“ verhandelt nicht nur einen Bruch mit herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht. Auch den Fragen nach Identität, Herkunft und Hautfarbe geht die Performerin zusammen mit dem bildenden Künstler Joël Andrianomearisoa nach.

Wie geschaffen scheint die ehemalige Kirche auf dem verwaisten Mannheimer Militärgelände vom Benjamin Franklin Village für die Performance von Kettly Noël. Ein riesiges Areal, dem die Bewohner abhanden gekommen sind, und dass sich die Natur zurück erobert. Jetzt ist der Altarraum zur Bühne geworden. Auf ihr liegt ein Baum mit einer Krone voller abgestorbener bemooster Äste. Im Dunkeln erkennt man eine Gestalt. Sie hockt auf dem Stamm, still und wie ein Teil der Pflanze. Bald erhebt sich Kettly Noël im schwarzen langen Kleid und stellt sich neben ihren Mitspieler Joël Andrianomearisoa. Er trägt ein weißes Hemd zu schwarzen Stiefeln und zeigt dazwischen seine entblößten Beine. Die Tänzerin trägt auf dem Kopf einen Kranz aus Stoffblüten und wirkt im halbdunklen Raum riesig neben dem Mann ohne Hose. Im Licht erscheinen die beiden wie ein seltsam ungleiches Paar. Der Mann greift den Arm der Frau und führt sie an die Bühnenrampe, um sie den Zuschauern wie ein Objekt zu präsentieren. Später hält er sich ein Mikrofon vor den Mund und macht den eher stolpernden Versuch, dem Lied über ein Party-Girl singend zu folgen: „Früher war ich fragil, doch jetzt bin ich wild“, singt die weibliche Stimme. Inzwischen hat sich die Tänzerin entkleidet und lässt sich, nur noch im schwarzen Trikot, von dem Herrn in rote High Heels helfen. Damit steigt sie wie ein fremdes Wesen in den Baum.

Kettly Noël greift in „Je ne suis plus une femme noire“ gewohnte Denkmuster an. In ihrer Darstellung spielt sie mit stark sexualisierten Symbolen, um sie im nächsten Moment einer anderen unvertrauten Sphäre einzuschreiben. Im schwarzen Trikot mit einer Leine um den Hals ist sie das passive Objekt der Begierde. In den Ästen vom Baum aber löst sie dieses Bild auf und wird schlicht zu einem Wesen ohne Kategorie. Das Gleiche gilt für ihren Mitspieler, der mit entblößten Beinen kein dominanter Herr mehr sein kann. Vielmehr ist er in den lächerlichen Helferposen nur noch Diener von Symbolen, ohne Bestimmung. Noël entzieht den voreiligen Urteilen ihre Grundlage. Sie entkräftet die Instrumente von Macht und Herrschaft, versetzt sie, wie den Baum in die Kirche, auf unbekanntes Terrain.

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