ShanXi DanceLand, „The Encounter of Confucius“

ShanXi DanceLand, „The Encounter of Confucius“

Start gelungen, Fortsetzung folgt

„Tanz I Moderne I Tanz“ - Chemnitz hat ein neues Festival

Das war ein Start wie man ihn sich nur wünschen kann für dieses neue Festival. An den beiden ersten von fünf Festivaltagen mit insgesamt 15 Aufführungen zeigte sich schon, welch gute Idee es war Ensembles und Kompanien aus den weltweit gelegenen Partnerstädten einzuladen.

Chemnitz, 24/06/2015

Zur Eröffnung im gut besuchten Schauspielhaus gibt es das Stück „The Encounter of Confucius“ mit der ShanXi DanceLand Company aus Taiyuanin China. Eine Choreografie von Xu Yi-Ming, der sich am Abend darauf im Chemnitzer Weltecho mit seinem Solo „Waiting alone“ vorstellen wird, der sensible Tanz eines Einsamen zu einer der bekanntesten Kompositionen von Beethoven, aus der hier in technisch, verfremdeter Soundcollage ein „Alptraum für Elise“ wird.

Das Eröffnungsstück feiert in Chemnitz Weltpremiere. Vor weniger als einem Jahr hatten die elf Tänzerinnen und Tänzer aufgehört sich traditioneller chinesischer Kunst zu widmen. In radikalem Bruch stellen sie sich der Moderne des Tanzes. Angeregt von den mehr als 2500 Jahre alten Gedanken des Philosophen Konfuzius und dessen Ansichten über Harmonie und Weisheit als Voraussetzung für das menschliche Miteinander haben sie diese in kraftvolle Bilder aus dem Kontext zeitgemäßer Erfahrungen gesetzt.

So wechseln Momente der ruhigen Besinnung mit denen anonymer Hektik des Alltags. So stehen kraftvolle Gruppenkonstellationen zarteren Bewegungsarten einzelner Tänzerinnen und Tänzer oder Paaren gegenüber. Sportive Kämpfe wechseln mit Varianten des Lachens. Eindrucksvoll, wenn die Akteure ihre Ohren an den Boden pressen, als gelte es längst vergessene Töne aus der Tiefe neu zu hören und diesen Signalen eher zu folgen als den Befehlen des Alltags. Auch wenn manche Passagen den Charme der Übungen eines Workshops haben, die konzentrierte Art der Präsentation, die Offenheit der Gesichter der Akteure begeistern des Publikum und reißen es hin zu jubelndem Applaus.

So neu und jung dieses erste Stück, das zweite des Eröffnungsabends mit dem Titel „Us-Band“ von Samuel Mathieu aus Toulouse, wird seit gut zehn Jahren gezeigt. Offensichtlich tut dies seiner Wirkung keinen Schaden. Vier nicht mehr ganz so junge, einsame Hirsche gebärden sich als wilde Kerle, als beißende Hunde, als kämpferische Matadoren. In wilden Raufereien geben sie ihrer Sehnsucht nach Nähe und minimalem Hautkontakt mannhaft nach. Mit den eigenen Körpern, mit der eigenen Haut, mit der Betonung eigener Linien sind sie immer wieder beschäftigt, dann richtet sich aber auch ganz unvermittelt in berührenden Einsamkeitseskapaden die verzweifelte Wut gegen die eigene Haut, gegen das eigene Haar. Dann wieder, und dies ist wohl das eigentliche Thema dieser charmanten Tanzprovokation, greifen sie zu, hart oder zart, meistens einsam, ins eigene Fleisch. Das lustvolle, orgiastische Stöhnen einer Frau bleibt ein ferner, technisch produzierter Klang für diese harten Kerle mit den weichen Knien.

Tag zwei des Festivals bringt zunächst modernes Tanztheater für Kinder. Am Ende ist nicht auszumachen wer begeisterter ist, die Kleinen oder die Großen. „Miravella“ heißt das Stück von Caterine Dreyfus und ihrer Kompanie Act2 aus dem französischen Mulhouse. Frei nach Engels könnte man sagen, es gehe um den Anteil des Tanzes bei der Entstehung der Menschheit. Mit erstaunlichem Mut zur Langsamkeit lässt die Choreografin gemeinsam mit zwei Tänzern aus riesigen Blasen, die vom Grund der Urflut aufsteigen, lebende Wesen entstehen, aus denen liebende Menschen werden. Dass sie dabei ihre Phasen tierischen Daseins nicht abgelegt haben, sehen große und kleine Zuschauer so erstaunt wie erheitert, die jeweiligen Einsichten dürften altersgemäß verschieden sein. Am Ende dieser liebenswerten Dreierkonstellation bleibt es nicht aus, auch augenzwinkernd darauf anzuspielen, dass die Vielfalt des Lebens mit der Vielfalt des Liebens einhergeht.

Dann wandert das Festivalpublikum in das alternative Kulturzentrum Weltecho, der Saal ist brechend voll, selbst auf der Bar sitzen Zuschauer. Geht doch, draußen bleiben muss niemand. Wäre auch schade. Denn mit „Timée“ präsentieren Mitglieder des Chemnitzer Balletts Szenen einer kollegial im Für- und Miteinander entstandenen Choreografie. Mit ihren dadaistisch anmutenden Bildsequenzen, mit tänzerischer Energie und beeindruckender Technik, insbesondere wenn ein Tänzer die Vorgaben des anderen aufnimmt und verblüffend weiterführend verändert, und alles auf engstem Raum, beweisen sie, dass sie sich gut auskennen in den Gebieten des modernen Tanzes.

Der absoluten, technischen Vollkommenheit des Tanzes jagen sie nicht hinterher, die Mitglieder des Physical Studios aus Łódź, in Polen. „Re:action“ heißt die Choreografie von Jacek Owczarek und die vier Tänzerinnen und zwei Tänzer begeben sich mit rasantem Charme in etliche Beziehungskisten, lassen sich darin nieder, wenn sie geöffnet sind und verzweifeln daran, wenn der Deckel zu ist. Immer wieder herrliche Seitenwechsel, immer wieder das mitunter schrille Spiel als Provokation in Sachen Tanz, wenn man sich lustvoll dem Charme bewusster Fehlentscheidungen aussetzt. Immer schimmert etwas durch von den Traditionen des Absurden im polnischen Theater der Bilder. Dieses Tanztheater hautnah zu erleben, geht unter die Haut, dazu dröhnt echter Polsky Beat und dann der Beifall im Weltecho zum Finale des zweiten Festivaltages. Nach so geglücktem Start muss einem nicht bange sein um den weiteren Verlauf und wer in diesem Jahr noch nicht dabei sein konnte, im nächsten Jahr, fast zur gleichen Zeit, ab 15. Juni, heißt es wieder „Tanz I Moderne I Tanz“ in Chemnitz.

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