„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Lode Devos. Tanz: Inmaculada Marín López (vorne)

„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Lode Devos. Tanz: Inmaculada Marín López (vorne)

Die dunkle Seite der Schönheit

„Das Bildnis des Dorian Gray“ als Ballett von Lode Devos am Staatstheater Cottbus

Aufstieg und Fall eines einsamen Menschen. In spannenden tänzerischen Korrespondenzen erzählt das Ensemble von Lode Devos berührend von Eitelkeit, Versuchung und dem tragischen Ende des Dorian Gray.

Cottbus, 24/01/2016

Es wie ein Pakt mit dem Teufel, wenn der junge Dorian Gray sich darauf einlässt, dass künftig sein Porträt altern werde und er sich auf unbegrenzte Zeit seiner Jugend und Schönheit sicher sei. Das faustische Motiv ist prägend in Oscar Wildes vor 125 Jahren in der Erstfassung erschienenem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ und dieses Motiv wird auch zur Grundlage der Uraufführung des gleichnamigen Balletts am Staatstheater Cottbus in der Choreografie von Lode Devos. Die Ausstattung von Anne-Frederique Hoingne knüpft bei den Kostümen in der Entstehungszeit des Romans an, führt aber dann mit optisch reizvollen Zitaten ausgefallener Designermoden gegenwärtiger Oberschichten aus historisierender Bildhaftigkeit in assoziative Bezüge zur Gegenwart.

Den Part des Teufels übernimmt Stefan Kulhawec als aristokratischer Dandy Lord Henry, nicht ohne Eigeninteresse, denn der schöne junge Typ hat es ihm angetan. Machtlos hingegen ist Niko König als Maler Basil, der mit ansehen muss, wie sein Kunstwerk missbraucht, sein Modell den Versuchungen erliegt und sich auf einen am Ende tödlichen Weg der Verantwortungslosigkeit begibt. Jason Sabrou ist Dorian Gray, schön und fies und regungslos, Greta Dato als junge, zerbrechliche und unerfahrene Schauspielerin Sibyl wird an seiner Missachtung ihrer Gefühle zugrunde gehen, den Maler Basil wird er angesichts der furchterregenden Veränderung des inzwischen geheim gehaltenen Porträts ermorden. So kommt es zu tänzerisch spannenden Korrespondenzen zwischen dem Maler, dem Verführer und dem schuldlos schuldigen Gray als Trio infernale, die von Beginn an wesentliche Akzente dieser Choreografie setzen.

Eine Steigerung erfährt das Ballett im Pas de deux der Schauspielerin mit Dorian Gray. In ihren solistischen Variationen blitzt etwas auf von der Tragik der jungen Frau, die das Leben mit dem Theater verwechselt, in seinen immer kühleren und abweisenderen Reaktionen verbreitet sich die Kälte der puren Selbstgenügsamkeit. Dass sich dabei aber doch hinter der Maske des schönen Erfolgstypen ein Mensch verbirgt, wird immer wieder deutlich, wenn der Tänzer in kraftvollen und vor allem expressiven solistischen Passagen der verzweifelten Einsamkeit zu entkommen sucht, oder stärker noch, wenn er der bildgewordenen Wahrheit seines Irrweges beim Ansehen des Porträts gegenübersteht. Keine Umkehr, kein Entrinnen, auch das hoffnungsvolle Flackern in der kurzen Begegnung mit der von Denise Ruddock getanzten sympathischen Hetty bleibt ohne Folgen.

So vollzieht sich in dieser Cottbusser Uraufführung von Lode Devos, dramaturgisch beraten von Volkmar Draeger, der Aufstieg und der Fall eines einsamen Menschen. Willig aufsteigen lässt ihn eine vergnügungssüchtige und skandalgeile Schickeria, die ihn auch fallen lässt und wegwirft wie ein langweilig gewordenes Spielzeug, um dann wie eine Horde Furien über ihn herzufallen, ihn lediglich erhebt, um ihm genussvoll die Kleider vom Leib zu reißen, und dann wie gehäutet für immer fallen zu lassen. Dorian Gray krepiert einsam vor seinem Bildnis, dieses - wieder im Urzustand - ist ein Bild, nichts sonst, ein Kunstwerk. Der Mensch Dorian Gray aber ist daran zerbrochen, das Leben um jeden Preis mit der Kälte der Kunst zu verwechseln: „Du sollst Dir kein Bildnis machen.“

So choreografiert und inszeniert Lode Devos mit der gut aufgestellten achtköpfigen Cottbusser Ballettkompanie, zu der noch Emily Downs, Inmaculada Marín López und René Klötzer gehören, im sachlichen Ambiente der Kammerbühne zur immer dunkler und emotionaler aufsteigenden Musik des Kronos Quartetts, Franz Schuberts, Sergej Rachmaninows und Arnold Schönbergs Tondichtung „Verklärte Nacht“ einen Totentanz der ganz eigenen Art.

Der Rest ist Stille, der Rest ist Schweigen, Einsamkeit und Tod, so wie es aus Rachmaninows Tondichtung „Die Toteninsel“ am Ende des so spannenden wie berührenden Balletts herüberklingt, womit auch noch einmal die den Roman von Oscar Wilde durchziehende Morbidität, wie sie sich nicht selten hinter dem geistreichen Ästhetizismus seiner Personen verbirgt, anklingt.

Weitere Aufführungen: 13., 27.02.; 24.03.; 22.04.
 

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