Verleihung Deutscher Tanzpreis 2016 an Prof. Martin Puttke

Verleihung Deutscher Tanzpreis 2016 an Prof. Martin Puttke

Große Footprints hinterlassen

Deutscher Tanzpreis 2016 für Martin Puttke

Am Samstagabend ehrte der Förderverein Tanzkunst Deutschland e.V. den 72-Jährigen Tänzer, Choreografen, Pädagogen und Ballettdirektoren Martin Puttke im Rahmen der traditionellen, fast fünfstündigen Gala im Aalto-Theater in Essen.

Essen, 06/03/2016

Tatsächlich hat es bisher nur ganz wenige Preisträger dieser prominentesten deutschen Tanzauszeichnung gegeben, die der ursprünglichen Zielsetzung derart entsprechen, wie sie der initiierende Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik (DBfT) 1983 proklamierte: Tanzförderer als Vorbilder für Tanzpädagogen. Martin Puttke gehört zu ihnen.

Nun wird er in dieser „Tanzfamilie“, wie der Organisator Jaš Otrin die Versammelten nannte, also in einem Atemzug genannt mit Tatjana Gsovsky und Gret Palucca, den ersten Preisträgerinnen aus Deutschland West und Ost sieben Jahre vor der Vereinigung. Puttke sei heute „die Stimme des Tanzes in Deutschland“, analysierte Christiane Theobald, stellvertretende Intendantin am Staatsballett Berlin, in ihrer brillanten, unerschrocken ehrlichen Laudatio. Sie nannte ihn einen Tanzreformator und Pädagogen von Format mit unglaublicher Kompetenz, einen Forscher voller Neugier, der einen inneren Standpunkt habe und eine Haltung, der missioniere und manipuliere, polarisiere und fasziniere - der etwas zu sagen habe und etwas bewege – „der Spuren hinterlässt, ziemlich große Footprints.“

Es sei ja ein Heimspiel für Puttke, sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen in seiner Grußadresse. Puttke war von 1995 bis 2008 Essener Ballettdirektor - eine Glanzzeit. Von 1990 bis 1992 hatte er die Kompanie der Deutschen Staatsoper Berlin geleitet. Maßgeblich förderte er nach seiner Tanzkarriere die Tanzkunst in Deutschland u.a. als Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik, erster Sprecher der Bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektoren-Konferenz sowie Initiator des von der Bundesregierung geförderten Dachverbandes Tanz Deutschland. Internationale Anerkennung fand Puttke als Pädagoge. In der Entwicklung seines neuen Technikkonzepts DANAMOS kulminiert seine Bemühung um die Erhaltung klassischen Tanzes auf der Basis natürlicher Grundbewegungen. Denn „Tanzen lernen heißt denken lernen,“ so Puttkes pädagogisches Credo. Als legendärer Künstlerischer Leiter und Direktor der Staatlichen Ballettschule Berlin von 1978-1990 schrieb Puttke deutsche Tanzgeschichte.

Die Zukunft hat längst begonnen

In der Kategorie „Zukunft“ wurden der brasilianische Tänzer Marcos Menha vom „Ballett am Rhein“ und der in Wien ansässige russische Choreograf Andrey Kaydanovskiy geehrt - beide längst fest im Sattel wie ihre Vorgänger bei dieser Auszeichnung. Wohingegen bei den Tanzbeiträgen aus den Akademien in München und Zürich sowie Bridget Breiners „Ballett im Revier“ sehr wohl viel versprechende ‚Hoffnungen’ aufblitzten. Vielleicht wird die Jury zur Tanzpreis-Verleihung gerade in dieser Kategorie noch etwas mutiger und sich ihres Auftrags der Nachwuchsförderung bewusst.

Laudatorin Alexandra Georgieva, Ballettdirektorin am Friedrichstadt-Palast Berlin, nannte Menha und Kaydanovskiy „Weißer Schwan und hässliches Entlein“ - entsprechend der in der Tat hinreißend eleganten Aura des Tänzers und dem Titel einer Choreografie von dem Russen. Beide traten in Tanzeinlagen auf: Menha in einem Ausschnitt aus Martin Schläpfers philosophischen Bildern eines zerrissenen Künstlerlebens „verwundert seyn - zu sehn“ von 2015. Mit seinem Tanzstück für zwei Tänzer und eine Tänzerin vom Staatsballett Wien „Love Song“ bot der mittanzende Choreograf eine Kostprobe seiner „inhaltlich dichten, sehr theatralischen Bilder“, wie die Laudatorin interpretierte.

Tanzmedizinerinnen mit Unterhaltungswert

Der „Anerkennungspreis“ ging an die drei Tanzmedizinerinnen Elisabeth Exner-Grave, Oberärztin der orthopädischen Abteilung im „medicos.AufSchalke“ (Gelsenkirchen), Liane Simmel, Autorin des Standardwerks „Tanzmedizin in der Praxis“ und, wie die beiden Kolleginnen, Mitgründerin von „tamed - Tanzmedizin Deutschland e.V.“ sowie Eileen M. Wanke, Leiterin der Tanzabteilungen an der Berliner Charité und der Künstlermedizin an der Goethe-Universität Frankfurt. Ausgerechnet diese drei Extänzerinnen brachten den größten Unterhaltungswert auf die Bühne mit einem Sketch über die Gefahren des Tanzes: 76,7 Prozent der Unfälle von Tänzern passieren auf der Bühne.

In einer flammenden Rede lobte Dortmunds Ballettmanager Tobias Ehinger, erster Preisträger in dieser Kategorie (2013), das Trio. „Tänzer sind Hochleistungssportler. Nur ist das Selbstverständnis das eines Künstlers,“ stellte Ehinger klar. Die Arbeit beinhalte stets auch den Schmerz. Deshalb sei die Gesundheitsfürsorge lange zu kurz gekommen. Jetzt aber habe ein Umdenken begonnen. Längst sei die Tanzmedizin auf Orthopäden-Kongressen präsent. Dringend benötigt werde ein Lehrstuhl. Die drei „Pionierinnen“ und „Koryphäen der deutschen Tanzmedizin“ bedankten sich bei ihrem Laudator mit adäquater Sicherheitskleidung für Bühnentänzer: Schutzhelm und Gummistiefel...

Kaum je zuvor hat diese Gala eine derartige Bandbreite des aktuellen europäischen Balletts geboten. Eine Straffung des Programms wäre trotzdem nötig gewesen.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern