„Orfeu e Eurídice“ von Olga Roriz

„Orfeu e Eurídice“ von Olga Roriz

Gastspiel beim Hessischen Staatsballett in Darmstadt

Companhia Nacional de Bailado mit „Orfeu e Eurídice“ von Olga Roriz

Es ist ein Tanz zwischen neoklassisch und Reformbewegung. Wogende Menschenmassen und herzzerreißende Pas de Deux – so viel Emotion ist selten. Das Publikum ist begeistert.

Darmstadt, 18/03/2016

Zum Konzept des neu gegründeten Hessischen Staatsballets mit den Standorten Darmstadt und Wiesbaden gehören neben Produktionen mit der eigenen Kompanie auch Gastspiele. In dieser Woche war an zwei Abenden im Staatstheater Darmstadt das 36-köpfige Portugiesische Nationalballett mit „Orfeu e Eurídice“ zu erleben - in einer Choreografie von Olga Roriz, Grande Dame des Balletts auf der iberischen Halbinsel. Aus Anlass des 300. Geburtstags des deutschen Opernkomponisten Christoph Willibald Gluck im Jahr 2014 hatte die Companhia Nacional de Bailado aus Lissabon die portugiesische Choreografin Olga Roriz mit der abendfüllenden Choreografie beauftragt. Die Begeisterung seit der Uraufführung sei groß gewesen, so ist’s nachlesbar, und man möchte aus aktueller hessischer Sicht hinzufügen: zu Recht.

Die Geschichte ist bekannt und eigentlich passiert auch nicht viel, jedenfalls wenn man die Verwicklungen manch anderer antiker Mythologien betrachtet. Orpheus und Eurydike sind das große Liebespaar der europäischen Kulturgeschichte, sie folgen einander bis in den Tod. Der Sänger Orpheus betrauert den Tod seiner frisch angetrauten Eurydike, er betört die Götter mit seinem Gesang, so dass sie ihm erlauben, in die Unterwelt hinabzusteigen, um sie zurückzuholen. Ein Pferdefuß ist bei den griechischen Göttern immer dabei: er darf sich während des langen Weges ans Tageslicht nicht nach ihr umdrehen. Das schafft Orpheus nicht und seine Geliebte fällt zurück an die Welt der Toten, endgültig.

Zwar kommt die Musik aus der Retorte, aber gewaltig ist sie trotzdem. Man ist als Zuschauer allein davon gebannt und blickt voller Faszination auf die wogenden Menschenleiber, die über die Bühne gehen, laufen, schreiten, sich zusammen ballen, auseinander driften, plötzliche Richtungswechsel vornehmen, hinfallen und wieder aufstehen – wie getrieben von der Musik und dennoch die Geschichte gekonnt interpretierend. Der Gesamteindruck wird wesentlich geprägt von den weiten langen Röcken der Kostüme - für Männer und Frauen -, von deren sanft aufeinander abgestimmten Farbigkeit.

Es ist ein Tanz zwischen neoklassisch und Reformbewegung, man fühlt sich an Altmeisterinnen von Mary Wigman bis Pina Bausch erinnert. Vor allem bei den weit vorgestreckten Armen bei zurückgeworfenem Kopf, vollends in der letzten Szene, wenn die Furien mit obszönen Gesten, gespreizten Schenkeln und energischem Schleudern der offenen Haare dem Odysseus den letzten Lebenssaft aussagen. Die Pas de Deux sind anrührende Liebesbeweise, optisch eindrucksvoll und herzergreifend die Trennung der beiden Liebenden durch die Menschenmassen und mitleiderregend die Suche des Orpheus nach seiner Eurydike im Leichenberg. So viel Emotion ist selten.

Die gut einstündige Aufführung war viel zu schnell vorüber. Begeisterter Applaus.
 

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