„Die Sehnsucht der Maybrit Illner“ von Karel Vanek und Guido Preuß

„Die Sehnsucht der Maybrit Illner“ von Karel Vanek und Guido Preuß

Wenig Aufwand – Großes Theater

Pick bloggt über Karel Vanek und Guido Preuß in Bonn und schaut dann auch bei Lenah Flaig und Josefine Patzelt in Köln vorbei.

Zwei begabte junge Damen in Köln hatten uns etwas zu sagen, und zwei Herren erfanden und entwickelten eine etwas andere Theaterform.

Bonn/Köln, 03/04/2016

Karel Vanek und Guido Preuß haben gemeinsam ein neues Stück entwickelt, es trägt den Titel „Die Sehnsucht der Maybrit Illner“. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich wenig erwartet, genauso wie ich von originalen Talkshows nichts erwarte, wenn ich zufällig vorbeizappe. Bei Vanek und Preuß handelt es sich jedoch um ein absurdes Kabarett mit einfließendem Dada, der ja gerade fröhliche Urstände feiert. Es ist mehr witzige Lautmalerei, als Worte die man addiert, um sie dann wieder subtrahieren zu können. Die Musik ist auch nur eine Randerscheinung, obwohl John Cages Stück mit dem Titel „4:33“ vom Pianisten Guido Preuß sowie den Zuhörern inklusive Karel höchste Konzentration verlangt, damit das Vergnügen nicht überschwappt, was nicht im Sinne des Erfinders wäre.

Als ich noch Student war, besuchte uns dieser höchst seriöse Komponist einmal in der Folkwang Schule und, wenn ich damals auch noch nicht bereit war für sein präpariertes Klavier, seine Persönlichkeit war riesengroß, genau wie sein stets unterkühlter Witz! Aber was ist denn nun mit dem Tanz? Ja, auch den gibt es, allerdings weniger als sonst bei Karel. Vielmehr handelt sich hier um ein Gesamtkunstwerk ohne Schnickschnack, das mit zwei Rückenschwimmern beginnt, die den glänzenden, mittig auf der Bühne stehenden Flügel umrunden. Aus ihren wasserdichten Anoraks heraus verwandeln sich die beiden in die bekannten Persönlichkeiten, bekleidet mit schwarzer Hose und außerordentlich gemusterten Oberhemden in schwarz-weiß (das einzig aufdringliche an diesem Abend).

Noch schöner wäre es, wenn diese nicht nur Kostüm gewesen wären, sondern eine Rolle gespielt hätten. Ich werde jetzt aber nicht den Hundertsten und einen Einfall auflisten und mich dabei verzetteln, was allerdings ein Vergnügen der subtilsten Art ist, das bei mir genau den Nerv trifft, sich zu amüsieren. Ich kann nur raten, wenn Sie, liebe Leser, Lust auf literarisches Kabarett ohne Worte, Tanz ohne Schritte und gut gelaunte Zuschauer haben, dann halten Sie Ausschau nach den Sehnsüchten, die Sie immer schon mal angedeutet haben wollten, dann halten Sie Ausschau nach Karel Vanek und Guido Preuß! Vielleicht in Bonn in der Brotfabrik, aber sicherlich auch demnächst in anderen Theatern und Städten.

Bei den beiden Damen Lenah Flaig und Josefine Patzelt sieht die Sache in ihrem Stück über das Verschwinden ganz anders aus. Da gibt es nichts zu lachen, auch nichts zu schmunzeln in „One must still know how to disappear“. Sie nehmen ihre Sache sehr ernst und haben Recht damit. Wie so oft bei dieser Art von Tanzperformance darf man seiner eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Wenn der Abend beginnt und die Bühne der Tanzfaktur in Köln ins rechte Licht gerückt wird, sitzen zwei junge, ausnehmend hübsche Tänzerinnen in Slip und BH sich gegenüber in eine wortlose Konversation vertieft, die ihnen offenbar immer wieder kleine Denkpausen abringt, während sie sich nach und nach Alltagsklamotten überziehen.

Es bleibt nun auch nicht bei diesen beiden Tänzerinnen, sondern eine wunderbare Geisterstimme erzählt ihnen, und natürlich den Zuschauern, in bestem BBC-Englisch einen hochphilosophischen Text (wahrscheinlich Jean Beaudrillard), der selbst dann, wenn man seiner Tiefe nichts abgewinnen sollte, doch so angenehm aufs Gemüt geht, dass man sich nicht entziehen kann, so wie man eine Klangkulisse oder Musik nicht negieren kann. Damit erzeugen diese beiden mit ihrem fiktiven Partner eine erstaunliche Atmosphäre, die über fünfzig Minuten reicht und mich unterwegs nicht gelangweilt hat – so reizvoll fand ich das Ganze.

Und wenn Sie mich nun fragen: wie war denn die Choreografie? Da muss ich passen, ich habe nicht nach ihr gesucht und ausnahmsweise habe ich sie auch nicht vermisst, weil mit dem, was die beiden Darstellerinnen auf der Bühne machen, eine Spannung erzeugt wird, ganz gleich, ob es tiefsinnig sein sollte oder nicht, und die Frage einfach nicht aufkam. Die sparsamen musikalischen Attribute (Sound: Eric Eggert), genauso wie der Sprecher (Sprecher: Ralf Günther) und das, was auf der Bühne passiert, berührten und interessierten mich für den Moment, und darauf kommt es schließlich an. Ich glaube nicht, dass dieses Erstlingsstück Ewigkeitscharakter haben wird, aber es zeugt von Talent für und Ausstrahlung auf der Bühne. Offenbar war es etwas, was mir an diesem Abend Vergnügen bereitet hat!

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