„Casanova“ von Ralf Rossa. Tanz: Yuliya Gerbyna und Michal Sedláček

„Casanova“ von Ralf Rossa. Tanz: Yuliya Gerbyna und Michal Sedláček

Gruppenbild mit Casanova

Am Opernhaus Halle kam Ralf Rossas „Casanova“ zur Uraufführung

Das Ballettspektakel zeigt nicht ohne Augenzwinkern die Liebesabenteuer des genialen Verführers.

Halle, 19/04/2016

Wahrheit oder Legende? Die Antwort auf diese Frage bleibt in der Schwebe. Der Bühnenraum (Mathias Hönig) ist abstrakt gestaltet mit verspiegelten Türen, mit Handschriften Casanovas aus seinen Memoiren an den Wänden und einem XL-Bilderrahmen, hinter dem sich eine zweite Spielfläche befindet, die immer wieder als Ort eines virtuellen Spiels zwischen Gegenwart und Vergangenheit funktioniert. Casanovas episodenhaft vorgeführtes Leben zwischen Venedig und Paris, zwischen Liebschaften, Sinnesrausch, Kloster, Polizei, Flucht und Kerker erlebt man als ein hinreißend getanztes Stück, realistisch und unwirklich zugleich.

Ralf Rossa hat seine Casanova-Geschichte auf ein einziges großes Liebesabenteuer, das so sicher nicht stattgefunden hat, fokussiert. Das ist zwar Erfindung, lässt aber Raum für die an Casanova zu entdeckenden sympathischen Seiten, die ihn als Frauenliebhaber durchaus anziehend machen. Kein venezianisches Kostümspektakel ist hier zu erleben, vielmehr ist und bleibt es ein Traum, Erinnerung an unwiederbringliches Glück, getanzt in einem raffiniert ausgeleuchteten Bühnenraum, die schwarzgoldenen Kostüme in unzähligen Variationen (Carla Caminati) verstärken die suggestive Wirkung noch. Ralf Rossa und seine Kompanie entfachen ein tänzerisches Feuerwerk, immer wieder neu inspiriert durch Mozarts Musik.

Die Auswahl der Kompositionen, die von der Staatskapelle unter David T. Heusel exzellent musiziert wird, enthält Ausschnitte aus Sinfonien, Ouvertüren, Tänzen und Divertimenti, und beginnt programmatisch mit der Ouvertüre zu „Don Giovanni“. Ralf Rossa hat diese Musik wunderbar aufnehmende Choreografien entwickelt, die seine Tänzer solistisch und in der Gruppe fordern und sichtlich Spaß zu machen scheinen. Turbulent, sportlich und in den Pas de deuxs virtuos, mit hohen Sprüngen, Pirouetten in rasantem Tempo und in immer neuen Formationen mit technisch brillant getanzten Schrittkombinationen präsentieren sich Rossas Tänzerinnen und Tänzer in Bestform. Die Elemente von Slapstick, Revuetanz, Irish-Step und Catwalk-Posen in immer neuer Verwandlung und das Sich-zur-Schaustellen vor einer imaginären ‚Kamera’ bis zum Gruppenbild mit Casanova würzen das Tanzspektakel.

Die Ensembleleistung dominiert den Abend, der solistisch durch Michal Sedláček als Casanova, Yuliya Gerbyna als dessen große Liebe Giulia Alberti, Denise Dumröse als deren Mutter, Dalier Buchanow als Giulias Bruder Massimo und Ayana Kamemoto als Virginia Romano seine außergewöhnlich tänzerische Prägung bekommt. Das Finale ist so unwirklich wie die ganze Casanova-Legende in diesem Ballett: Casanova und seine Liebe Giulia, die den alten Mann am Stock umsorgt, genießen auf einer Schaukel ihren Lebensabend. Und da ist immer noch der Hauch des großen Verführers, der weise und milde geworden ist und doch keinen Zweifel daran lässt: Das Liebesvergnügen höret nimmer auf!
 

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