„Sechs Tänze“ von Jiři Kylián. Tanz: Ensemble

„Sechs Tänze“ von Jiři Kylián. Tanz: Ensemble

Hommage an Jiří Kylián

„Archipel“ in Essen

„Archipel“ zeigt – wie Inseln in weiten Gewässern – Oasen einer Welt, der vielfältigen Tanzwelt Jiří Kyliáns. Für die eher publikumsorientierte Essener Kompanie ist es ein wichtiger, gelungener Ballettabend.

Essen, 24/04/2016

Vier Choreografien, entstanden zwischen 1986 und 2002, und ein Kurzfilm zeigen unterschiedliche Facetten dieses europäischen Meisters der Körpersprache. Seine choreografische Handschrift ist überall unverkennbar: geprägt von der Neoklassik hat Kylián schon früh bizarre, artistisch-athletische Elemente eingefügt, etwa Schmetterlingsflügeln ähnlich vibrierende Hände und Füße mitten in einer schwierigen Hebung, Beugen und Strecken von Gliedmaßen, blitzschnelle Rumpf- und Kopfneigungen in alle nur denkbaren Richtungen und Positionen.

Den Tanzenden verlangt diese tempo- und gestenreiche Bewegungsfolge enorme Konzentration und Geschmeidigkeit ab. Solisten und Halbsolisten der 30-köpfigen Kompanie von Ben Van Cauwenbergh wachsen bei der Arbeit mit Kylián weit über sich hinaus – insbesondere in den beiden abstrakten Choreografien im ersten Teil. Kyliánsche Eleganz, Poesie und Muskelspiele bringen allen voran Yanelis Rodriguez, Mariya Tyurina, Breno Bittencourt, Denis Untila und Wataru Shimizu mit. An den fliegenden Ikarus erinnert das legendäre Stück für vier Paare „Wings of Wax“. Nach seiner Aufführungsdauer benannt und von Bühnentechnik etwas störend dominiert ist die ebenfalls solistische, jüngste Choreografie „27‘52“ von 2002.

Darstellerisches Profil wird im zweiten Teil verlangt – Witz und Humor assistieren, auch in Form rollender Barockroben. Die Einstimmung gelingt durch eine der verfilmten Slapstick-Bettszenen im Zeitraffertempo aus „Happy Birthday“, das Kylián 2001 zum 10. Geburtstag von NDT III kreierte. Eine Delikatesse mit feiner Ironie serviert er in „Petite Mort“ (diskrete französische Umschreibung des sexuellen Höhepunkts). Wie Rad schlagende Pfauen suchen Degen fechtende, fast nackte Männer den Damen zu imponieren... bis diese am Ende der frivolen, anspielungsreichen „Sechs Tänze“ alle Hüllen fallen lassen und in den Kulissen den stolzen Herren in die Arme sinken.

„Archipel“ zeigt – wie Inseln in weiten Gewässern – Oasen einer Welt, Kyliáns vielfältiger Tanzwelt. Auch wenn ganz große, opulente Titel wie etwa „Bella Figura“ und „Arcimboldo“ fehlen: dies ist – nach dem Porträt von Ohad Naharin und vor dem geplanten Querschnitt durch das Werk von Alexander Ekman - eine wichtige, gelungene Premiere der eher publikumsorientierten Essener Kompanie.
 

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