„Serenata“ von Gret Palucca. Tanz: Ingeborg Hendrikx und Paula Fiener

„Serenata“ von Gret Palucca. Tanz: Ingeborg Hendrikx und Paula Fiener

Das Ich im Wir

Matinée der Palucca Hochschule für Tanz Dresden in der Semperoper

Stolze 90 Jahre lang existiert die Palucca Schule mittlerweile. In ihrer Matinée hat sie sich nun nicht nur zu recht selbst gefeiert, sondern auch gezeigt, wie hoch das Niveau der einzelnen Klassen ist.

Dresden, 07/05/2016

Eigentlich ist das ja immer so eine Familienfeier. Onkel, Tante, Oma, die kleinen Cousinen und natürlich vor allem die Eltern der Palucca-Schüler bilden traditionell den Großteil des Publikums, wenn die Palucca Schule zur Matinée ruft. Diese Form der Leistungsschau bietet immer einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Dinge. Dass die Veranstaltung regelmäßig in frenetischem Jubel endet, sei allen daran Beteiligten gegönnt. Anlässlich der 90. Ausgabe der Matinée darf aber in jedem Fall gesagt werden: Die Standing Ovations hatten tatsächlich ihre Berechtigung. Das Niveau der Tänzer ist durchweg beeindruckend hoch.

Den Auftakt machten „die ganz Kleinen“, die Orientierungsklasse 2, mit einer Neuinterpretation von Paluccas „Aufforderung zum Tanz“, die auch musikalisch neu gedacht wurde. Und sie zeigten auch gleich, wo der Hammer hängt. Beeindruckend war die Tatsache, dass jeder der Tänzer das Material absolut im Griff hatte. Nicht mal die Kleinsten ließen sich von der Größe der Bühne einschüchtern. Die Fähigkeit zum Ausdruck war geradezu verblüffend. Da wurde kokettiert und geflirtet, Charme und Witz saßen punktgenau bei Tänzern, die kaum älter als zehn Jahre waren. Damit war die Qualität für den Rest des Programms gesetzt.

Insgesamt elf Arbeiten, allesamt choreografiert von Alumni der Palucca Schule, gaben den Tänzern erfreulicherweise tatsächlich die Gelegenheit, zu tanzen und somit wirklich zu zeigen, was sie gelernt haben. Nicht nur die Damen durften sich auf Spitze präsentieren.

Auffällig war auch die thematische Gesamtheit der Arbeiten. Vielleicht hat kaum eine Ausdrucksform wie der Tanz die Legitimation, ichbezogen zu sein. In diesem Fall war es immer wieder die Suche nach der Verortung des Ich im Wir, die allerdings nicht als generelle Suche, sondern unter sehr aktuellen Bezügen durchdekliniert wurde: In mehreren Arbeiten fand sich eine unterschwellige innere Bedrohung, die sich aus einer nicht näher zu benennenden Unsicherheit des Einzelnen hinsichtlich seiner Position und Funktion innerhalb einer Gruppe ergab.

Am verstörendsten war dies in der auffälligsten Arbeit sichtbar, „Daddy Song“ in der Choreografie von Stephan Thoss. Jene Arbeit nahm Anleihen aus dem Tanztheater, um eine befremdliche, leicht absurde Situation zu schaffen. Wenn dabei einem Tänzer mit ohrenbetäubendem Geräusch vermeintlich das Genick gebrochen wird, gefriert das Blut in den Adern.

Diese Orientierungslosigkeit des Ich fand in den Arbeiten „Tribe“ (Choreografie: Maria Nitsche) und „Das Schaf“ (Choreografie: Katharina Christl) ihren Gegenpart. Quasi bereits in den Titeln verraten diese Stücke, dass genau dort und nur dort, wo sich das Individuum befindet, die eigene Gesundung erfolgen kann: in der Gemeinschaft. Nur ist es eben genau dieser Aspekt, die Gemeinschaft, die eine Gruppe erst zu einer funktionierenden Einheit werden lässt. Eine Ansammlung von Individuen ist eben noch lange keine Gemeinschaft. Diese Nähe an gesellschaftlichen Entwicklungen in Kombination mit exzellentem tänzerischen Können lässt weder Sorgen über die Zukunft des Tanzes noch Zweifel über die Reputation der Palucca Schule aufkommen.

Besonderer Höhepunkt der Matinée war wie immer die Verleihung der Stipendien. Jacqueline Krell (Studiengang Tanzpädagogik) und Swane Karin Küpper (Studiengang Tanz) erhielten beide das Palucca-Stipendium der Dresdner Stiftung Kunst & Kultur der Ostsächsischen Sparkasse Dresden im Programm des Deutschlandstipendiums. Gleb Matveev (Studiengang Tanz) freute sich über das Palucca-Stipendium des Talentschmiede e.V.
 

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