„Experience“ von Hugo Mercier. Tanz: Nadège Cotta, Agata Zajac

„Experience“ von Hugo Mercier. Tanz: Nadège Cotta, Agata Zajac

Kreativer Abschied

Ein letztes Mal „Choreografische Werkstatt“ beim Mannheimer Kevin O’Day Ballett

Acht Mitglieder des scheidenden Kevin O’Day Ballettes hatten sich für diese allerletzte Premiere noch einmal zu kurzen eigenen Stücken herausfordern lassen.

Mannheim, 11/07/2016

Vierzehn Jahre lang haben sie fast täglich miteinander getanzt, im Probenraum wie auf der Bühne: Tyrel Larson mit seinen Kolleginnen Zoulfia Choniiazowa und Veronika Kornová-Cardizarro. Sie haben geredet, gelacht, Bewegungen ausprobiert, sich gegenseitig animiert und fast unmerklich ins gemeinsame Tanzen gefunden. Die Selbstverständlichkeit, das Vertrauen, die Freundschaft – das sind Qualitäten, die nur in einem auf Kontinuität gegründeten Ensemble entwickelt werden können. Zum Ende der Amtszeit von Kevin O’Day, in der letzten „Choreografischen Werkstatt“ für Ensemblemitglieder, erzählt Tyrel Larson in dem 5-Minuten-Stück „Some Years“ genau davon: vom ganz selbstverständlich funktionierenden Tänzeralltag.

Acht Mitglieder des scheidenden Kevin O’Day Ballettes hatten sich für diese allerletzte Premiere noch einmal zu kurzen eigenen Stücken herausfordern lassen – mit viel autobiografischem Ernst und in einer eher düsteren Grundstimmung. Hitumi Kuhara, seit zehn Jahren in vielen Solorollen auf der Bühne des Nationaltheaters zu sehen, ließ vier ihrer Kollegen in einem wogenden Körperknäuel zum „Männerquartett“ zusammenfinden, aus dem sich immer wieder Arme und Beine fast Hilfe suchend nach oben reckten – niedergedrückt die Stimmung, niedergedrückt die Bewegungen. Ganz aufrecht und sehr offen ließ Brian McNeal sein Alter Ego Michael Bronczkowski von der schwierigen Selbstfindung als Tänzer mit dunkler Hautfarbe erzählen – zugleich verbal und mit fast pantomimischem Ausdruck („180°“). Auch Dávid Kristóf hatte mit seinem Stück „Eclectic“ für zwei Tänzer und zwei Tänzerinnen einen sehr persönlichen Abschiedsgruß für die Kollegen konzipiert: mit starken Brüchen, abrupt blendenden Lichteffekten und sehr unterschiedlichem Bewegungsvokabular an die künstlerische Spannweite des Ensembles erinnernd. Ganz privat war dagegen der Beitrag „You Y Yo“ von Jamal Rashann Callender, der Veronika Kornová-Cardizzaro und Tyrel Larson Nähe und Distanz einer Dauerfernbeziehung beschwören ließ.

Helene-Hecht-Preisträgerin Zoulfia Choniiazowa, die rechte Hand von Kevin O'Day und Dominique Dumais bei der Einstudierung von Repertoirestücken, hatte sich für ihren Beitrag von einem Musikstück von Max Richter („Maria, The Poet“) zu einem bewegenden Solo für ihre langjährige Kollegin Agata Zajac inspirieren lassen. Das zugrunde liegende Gedicht der zwanzigjährigen Marina Zwetajewa aus dem Jahr 1913 erzählt von einem Lebensgefühl in einer dunklen Zeit. Zwei optisch sehr ungleichgewichtige Tänzer hat Michael Bronczkowski in seinem Duo „Regaining Surface“ zusammengespannt: den großen Tänzer Tyrel Larson und die sehr zierliche Maggie Forgeron – die dennoch sozusagen auf Augenhöhe miteinander agieren. Und etwas zum Lachen gab es dann doch: Hugo Mercier schickte in „Experience“ vier Tänzerinnen in einen amüsanten Frauen-Fight, animiert vom Slapstickwitz der Stummfilme und den abgehackten Bewegungen in Computerspielen.

Das Publikum machte ‚seinen’ TänzerInnen im intimen Werkhaus-Rahmen den Abschied schwer.
 

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