Louis Stiens und Rocio Aleman vom Stuttgarter Ballett mit „Absence“

Louis Stiens und Rocio Aleman vom Stuttgarter Ballett mit „Absence“

Stadt macht Staatstheater für Unterfranken

Pick bloggt über zwei Tage in Würzburg mit zwei Vorstellungen und einigem Drumherum

Betrachtungen über diesjährige Gala vor Ende der Spielzeit mit illustren Gästen und über die Derniere einer Opernuraufführung „Der Steppenwolf“, den die Ballettchefin Anna Vita inszeniert und choreografiert hat.

Würzburg, 12/07/2016

Zwei Tage in Würzburg bei bestem Sommerwetter und ebensolchen Aufführungen auf der Bühne, die ich öfter besucht habe als den Rest der Stadt mit den vielen Gebäuden, die schön restauriert sind, wie zum Beispiel die Alte Universität, ein Renaissancebau. Die Besichtigung habe ich diesmal nachholen können, abgesehen von der herrlichen Residenz mit dem berühmten Treppenhaus und den Fresken von Tiepolo. Unvergesslich wird mir bleiben, als vor vielen Jahren, als die Kapelle noch von außen zugänglich war, so, dass man durch das Mittelportal kommend direkt in diesem religiösen Prachtbau stand und mir zwei Frauen, offensichtlich vom Land, begegneten, und im Vorbeigehen die eine zur anderen schwärmte: „Hei, des isch ja wie‘s Paradies!“

Und fast so ging es mir auch, als ich im Theater die diesjährige Gala vor Ende der Spielzeit mit illustren Gästen sah. Am zweiten Abend dann die Dernière einer Opernuraufführung „Der Steppenwolf“, den die Ballettchefin Anna Vita inszeniert und choreografiert hat, und zwar so, als sei es nicht ihr Debüt auf diesem Gebiet. Höchst professionell hat sie sich dieser schwierigen Aufgabe angenommen in einem sehr variablen Bühnenbild von Verena Hemmerlein, das der Fantasie des Zuschauers alle Möglichkeit lässt. Das ist ganz anders als in der erwähnten Residenz, wo alles bis ins kleinste Detail perfekt ist und keine Zeit bleibt noch an etwas anderes zu denken.

Die Musik des schwedischen Komponisten Viktor Alslund verschreckt wohl niemanden, so dass aus dieser ausverkauften Abonnementsvorstellung keiner der vorwiegend reiferen Besucher das Theater vorzeitig verließ. Vor einiger Zeit habe ich über „Gefährliche Liebschaften“, eine Musical-Uraufführung am Gärtnerplatz-Theater in München, berichtet und fand, dass sowohl Musik wie auch Text durchaus im Fach Oper ihren Platz haben könnten. Hermann Hesses Roman „Steppenwolf“, bearbeitet von Rainer Lewandowski, zur Musik des eben erwähnten Komponisten gab mir durchgehend das Gefühl, dass so viel Text eher ein Schauspiel sei, dem man Musik unterlegt hatte. Ich war durchgängig damit beschäftigt, die Übertitel zu lesen, während die Sänger fast nur Rezitative zu singen hatten, was auf die Dauer nicht besonders abwechslungsreich ist.

Das Ganze hat natürlich mit der Wahl des Sujets zu tun, denn ein Roman, wenn man ihn in eine Bühnenversion verwandeln will, enthält ja viele Stunden Material, vor allem bei dem Nobelpreisträger Hermann Hesse. Alles in allem war Anna Vitas Oper dann aber doch ein spannender Theaterabend mit guten Sängern und Tänzern, die in leicht anrüchigen Tingel-Tangel-Szenen ihre Auftritte hatten, was ihnen offenbar Spaß machte.

Vorausgegangen war, wie neuerdings in vielen Theatern, eine Gala-Vorstellung, die Anna Vita mit Leon Kjelsson (heute freischaffend, aber bei Heinz Spoerli als Ballettmeister nicht wegzudenken) zusammengestellt hat und für die man sich um die Eintrittskarten lange vorher bemühen musste. Neben den Theatern Augsburg (Robert Conn vertreten durch Armin Frauenschuh) kam mit einer neuen Choreografie Riccardo De Nigris, und mit ihm in einem mitreißenden Trio für drei Solisten Theophilus Vesely und Joel Di Stefano. Aus Koblenz war Steffen Fuchs vertreten, der in Zusammenarbeit mit Tanzart Ost/West zwei Wochen vorher eine ähnliche Gala veranstaltet hatte. Außerdem war noch das Theater Hagen eingeladen und zwar mit einem traumhaften Duett von Ricardo Fernando, getanzt von Sofia Romano und Bobby Briscoe. Würzburg brachte u. a. einen interessanten Ausschnitt aus seinem neuen Ballett „Glasmenagerie“ von Ivan Alboresi, der zur neuen Spielzeit in Nordhausen Ballettchef wird. Soweit die einheimischen Gäste.

Das Stuttgarter Ballett darf natürlich nicht fehlen und war vertreten durch das wunderbare Paar Rocio Aleman und Louis Stiens in einer Choreografie namens „Absence“ von Rolando d´Alessio. Vom Nationalballett in Brünn und in Prag waren die außerordentlichen Tänzer Miho Ogimoto und Martin Svobodnik mit einem höchst schwierigen Stück „Synk“ von Nils Christe angereist, der stilistisch den Übergang nach Amsterdam zum Nationalballett einleitete. Daher stammen Suzanna Kaic und James Stout, die das wunderbare Duett „Fantasie“ von Hans van Manen mitbrachten, das leicht der Höhepunkt dieser Gala hätte sein können. Aber das Publikum war anderer Ansicht, es feierte „Dreamscapes“, ein Stück, das für diese Gelegenheit von Robert Becker komponiert und am Flügel und Synthesizer live gespielt wurde. Einstudiert und getanzt wurde es von Markus Heidt und Dominik Blenk, die sich inzwischen einen Namen gemacht haben. Sie heißen „Hot Potatoes“ und können tatsächlich inzwischen als echte Profis gelten. Ein Erfolg, inklusive da capo, den die Ballettchefin Anna Vita mit auf ihr Konto nehmen kann, denn sie hat diese Tänzer entdeckt für die Zwerge in ihrer Version von „Schneewittchen“, das übrigens zum Ende der Spielzeit noch fünf Zusatzvorstellungen en Suite vor ausverkauftem Haus haben wird.

Bleibt mir noch die Ballerina Rebecca King aus Helsinki vom Nationalballett nicht unerwähnt zu lassen, die den „Sterbenden Schwan“ und den „Schwarzen Schwan“ auf die Bühne brachte. Sie hat alle Voraussetzungen für eine große Karriere, aber besonders bewundernswert ist, dass sie mit dem sympathischen Mark Radjapov, der mit einer einzigen Probe für ihren erkrankten Partner einsprang, tanzte. Mit einer Noblesse, die ihresgleichen sucht, mit dem Hintergrund bester russischer Schule mit weichem Sprung, kompetenter Technik und edler Geste, die nie nach Applaus giert, sondern zurücktritt, wenn die Ballerinen-Prinzessin die Bühne betritt. Kein Wunder, dass der die fordernde Odile nicht gleich von der schönen Schwanenprinzessin unterscheidet.

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