„(b)reaching stillness“ von Lea Moro

„(b)reaching stillness“ von Lea Moro 

Das organische Mal

Lea Moros „(b)reaching stillness“ beim Impulstanzfestival Wien

Mit barocker Bürgerlichkeit breitet sich zum Auftakt von Lea Moros Performance die Mahler(i)sche Musik der „Auferstehungssinfonie“ im Kasino des Burgtheaters aus. Die Körper, gebettet auf dem flachen Stufenpodest, scheinen wie ein Stillleben.

Wien, 26/07/2016

Mit barocker Bürgerlichkeit breitet sich zum Auftakt von Lea Moros „(b)reaching stillness“ die Ma(h)ler(i)sche Musik der „Auferstehungssinfonie“ im Kasino des Burgtheaters aus. Die PerformerInnenkörper, gebettet auf dem flachen Stufenpodest des blauen Teppichuntergrundes, scheinen wie ein Stillleben, spiegeln Allsein und Vergänglichkeit wider. Man beobachtet das organische Hervortreten, das zyklische Atmen ihrer Körper und scheint sich unsicher, ob es sich hier nur um Leben oder schon um Sterben handelt. Wie schon bei Walter Benjamins Bezeichnung des Mals gegenüber dem Zeichen handelt es sich um ein unmittelbares Hervorteten von Farbe und Bewegung, eine bis dahin noch von allen Bestimmungen und Bezeichnungen freie Entität, die unmerklich wie eine Aura den Raum für sich einnimmt. Man beginnt die Erscheinungen zwischen Bewegung und Bezeichnung abzupassen, den Moment des Intervalls zu lesen. Diese Bild-Metamorphosen erinnern dann choreografisch bewusst an die Körperwelten Xavier le Roys und Laurent Chetouanes.

Und das ist anziehend sinnlich in der ersten Hälfte. So schneidet Moro die Kanonreferenzen noch gekonnt an und findet doch ihre eigene Auseinandersetzung, bei der man gebannt in ein intimes Betrachterverhältnis hineingezogen wird und man den vorgängigen und erwachsenden Formungen beinahe wie bei einer Skulptur haptisch nachfühlen möchte. Auch der kunsthistorisch mit einer großzügigen Ironie ausgestatte Zugang lässt sich bühnenkompositorisch wohlwollend betrachten: Der labende Springbrunnen weicht dem Alltag entnommenen Durchschnittswasserspender, Elysium und Arkadien finden sich in der zweiten Hälfte als eine von Rauch umwobene goldene Plastikpalmenlandschaft wieder.

So kontert Moro noch jene verzwungene Kunstverklärung, der man bei solch einer konzeptionellen Auseinandersetzung mit Mahler und Stilllebentechnik unweigerlich ausgeliefert ist. Und doch ergießt sich leider bald aus dem zuvor noch so notwendigen Mittel des selbstironischen Bruches eine Flut von Albernheit, der auch der amüsierte Betrachter bald nichts mehr abgewinnen kann. Hatte Moro beispielsweise dem übersteigerten Höhepunkt, bei dem sich die Körper mit dramatischer Musikübereinstimmung zur Höhe des Stufenpodestes hinaufwälzten, mit dem profanen Rückgriff auf die Verwendung von Kopfmassagespinnen entgegengesteuert, bleibt das abgespielte Parodieren von popkulturellen Konfigurationen und des Tanzkanons etwas später doch so leer, und widerspricht der vorhergehenden Andacht und Widmung. Ist das malerische Stillleben erst gewissenhaft aufgebaut worden, folgt darauf eine Ansammlung von Überzeichnungen. Die Auseinandersetzung scheitert so an einem starken Anfang, dem ein unverhältnismäßig richtungsloses und unbemühtes Referenz-Possenspiel folgt.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge