„The Greatest Show On Earth“ von La Fortunada

„The Greatest Show On Earth“ von La Fortunada

Manege frei für die Kunst!

„The Greates Show On Earth“ vereint Zirkusdynastie und Performancestars

Antonia Baehr, Valérie Castan und Emmilou Rößling sind die Zirkusfamilie „La Fortunada“ und bringen ihre Performance-Zirkus-KünstlerInnen auf die Kampnagel Bühne des Sommerfestivals in Hamburg.

Hamburg, 14/08/2016

Was kann man sich denn vorstellen unter einer „Greatest Show On Earth“? – Alles, die absolute Superlative, Pauken und Trompeten. Man sitzt in der Manege (Bühne: Philippe Quesne), die Buchstaben leuchten wie funkelnde Sterne, Lamettavorhang und Trommelwirbel. Die Band Les Trucs aus Frankfurt feuert, mit elektronischen Beats die Menge an. Die Aufregung steigt, in dieser für die darstellende Kunst doch ungewohnten Szenerie und ganz unverhofft erinnert man sich an ein Gefühl, das man doch schon länger nicht mehr hatte, wovon man aber auch nicht sicher sein kann, ob man es damals mochte. Die Unruhe und Aufregung, die Neugierde und auch ein bisschen Angst. Und dann geht’s los. Die Lust zu lachen ist da. An Humor fehlt es nicht. Ein großer ‚Scheißhaufen’ (Jeremy Wade mit Karol Tymiński) erzählt, was man nicht alles so gemeinsam hat an Scheiße auf der Welt und da bebt er von seiner Stimme und erzittert vor dem Publikum.

Die Gruppe Contact Gonzo aus Osaka besticht, ebenfalls mit sanftem Humor, in einem spielerischen und doch faustdick treffenden Ringkampf, in dem die PerformerInnen sich gegenseitig von der runden Plattform schubsen und drängen. In choreografierten Abständen wird überraschend eine Ohrfeige abgefeuert. Hendrik Quast & Maika Knoblich aus Berlin treten mit dem Hund Lilly und der Katze Leo in die Manege. Sie mimen die Stimmen zu ihren tierischen Begleitern, die Starmomente entstehen aber nur durch die nicht steuerbaren Eigenheiten der Tiere auf der Bühne. An trashig-pornografische Grenzgänge wagen sich vor allem Florentina Holzinger und Vincent Riebbek, die Play-back-Nummer „I’ll always love you“ geht in einen beeindruckenden akrobatischen Trapeztanz über, doch auch dies birgt nicht viel Neues. Der Abschied von der Bühne als Duo gelingt den beiden noch immer nicht.

Eisa Jocson, die philippinische Tänzerin und Performerin tritt im Schneewittchenkostüm auf und platziert sich zu Disneysound locker und in aller fantastischen Liebenswürdigkeit auf der Drehscheibe. Zu Vogelgezwitscher und Wassergesprenge fühlt man sich durch ihre exakten Gesten in ein anderes, animiertes Zeit- und Medienkontinuum versetzt. Dann fällt die Prinzessin und ein anderer Märchenheld von der unliebsamen Sorte tritt hervor, die Muskeln bäumen sich unter dem blauen Samt auf und der uns schon bekannte ‚Macho Dancer’ aus einem ihrer hervorragenden früheren Stücke bricht hervor, dreht ein paar Runden und verlässt dann mit spöttischem Blick die Bühne. Meg Stuart erarbeitete gemeinsam mit dem Kostümdesigner Jean-Paul Lespagnard und den TänzerInnen Vânia Rovisco und Márcio Kerber Canabarro ein apokalyptisches Szenario.

Der Abend kann jedoch die kindliche Aufregung des Beginns nicht halten, immer wieder schwindet die magische Energie, entkommt der schönen Manege und übrig bleibt eine traurig-glitzernde Szenerie. Die Ideen wirken angerissen, schaffen es aber weder ineinanderzugreifen, noch eigenständig zu bestehen. Das Lachen bleibt einem ein wenig im Halse stecken. Wenn Jeremy Wade und Karol Tymiński als multinationales Unternehmen wieder erscheinen und sich mit einem „Oh I’m really sorry“, übersetzt in viele andere Sprachen, versuchen für all das zu entschuldigen, indem sie einen duftigen Ozean der Tränen versprühen und mit weißen Fahnen wehen, dann geschieht das mit so viel ästhetischem Feingefühl, dass man annehmen möchte, ihnen ebenso wie dem Publikum hätten ein paar Übertreibungen des Abends ein wenig weh getan.
 

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