„Body + Freedom“ von Holzinger/Lange/Machaz/Riebeek/Scheiwiller

„Body + Freedom“ von Holzinger/Lange/Machaz/Riebeek/Scheiwiller

Verlorene Körpermüh

„Body + Freedom“ von Holzinger/Machaz/Riebeek/Scheiwiller

Hatte man bisher dem Kollektiv um Florentina Holzinger gerne ihr Spiel mit Metadiskursen zugestanden, in dem Repräsentationen heillos zertrümmert, entblößt und ironisiert wurden, haben sie es diesmal vermocht, sich selbst abzuschaffen.

Wien, 15/08/2016

Der Drang alles mannigfach erzählen zu wollen, die Nachwehen der Postmoderne, das Multiple entfesseln zu wollen, entgrenzt sich bei „BODY + FREEDOM“ selbst. Hatte man bisher dem Kollektiv um Florentina Holzinger gerne das Spiel mit Metadiskursen zugestanden, in dem Repräsentationen wie Kontextualisierungen heillos zertrümmert, entblößt, radikalisiert und ironisiert wurden, haben Holzinger und Co. es diesmal vermocht, sich selbst abzuschaffen.

Dass der Intendant des Festivals selbst nach zwei Dritteln den Saal verließ, kann man begründen und lesen wie man will, doch die Anzahl an treuen und begeisterten Anhängern hatte sich ebenso dezimiert und verflüchtigt. Und dass man auch hier weiterhin eine nächste Stufe des entgrenzenden Bühnenvorgangs interpretieren möchte, lässt sich im Augenblick nicht mehr mit der Anwesenheit von Zuschauern rechtfertigen. Denn der vermeintliche Darstellungsgestus unter den PerfomerInnen, der sonst mit Tabus brach, erscheint diesmal gegenüber dem Publikum respektlos. Was die Frage aufwirft, warum ein Publikum dann noch als notwendig für den Vorgang erscheint - da das Programm des partizipativen 'Schreit eure Meinung ruhig während der Performance rein' wieder durch das 'Shut up' revidiert wird, und nicht als Reflexion à la 'critical joy' gedacht werden kann, sondern sich darin nur ein Performer erkennen lässt, der nach Ende der Vorstellung aus dem Saal einem Zuschauer hinterher hastet, um sich für diesen Ausdruck bei ihm zu entschuldigen.

Auch ist die Dringlichkeit und Intensität beispielsweise in Machaz' Fart-Punishment bei Weitem nicht mehr mit den Bühnenvorgängen gleichzusetzen, die im vergangenen Jahr radikale und schockierende Bilder produzierten und den Gemütszustand der Zuschauer mehr herausforderten - wie etwa Oliver Frljićs „Balkan macht frei“ mit der Waterboarding-Szene. Das Game Show-Format, welches hier beleuchtet werden soll, zerfällt mit der Verlogenheitsprämisse, die den PerformerInnen durch Pinocchio-Nasen sinnbildlich ins Gesicht geschrieben steht und die Mittel 'sex sells' und Zirkuskunst sind auch schon seit langem im Programm von Holzinger, Machaz, Riebeek und Scheiwiller. Wie kann da noch die Spektakellüsternheit von Publikums und Unterhaltungsindustrie hinterfragt werden, wenn sich die Mittel selbst schon kanonisiert haben.

Natürlich bleibt ein integraler Bestandteil der Holzingerschen Programmatik weiterhin bestehen: das Spiel mit der Verunsicherung des Betrachters. Auch diesmal ist sich so mancher Besucher nicht sicher, ob Riebeek tatsächlich wutentbrannt die Vorstellung verlässt oder ob es sich dabei mal wieder um einen inszenierten Bruchpunkt handelt. Dieser Mythos vom überlegenen Strippenzieher sollte sich auch einmal brechen lassen und nicht stetig auf ganze Performancekonzepte ausgeweitet werden. Denn, dass Nihilismus auf Nihilismus treffen sollte, erhellt und hilft nicht der Sinnlosigkeit eines solchen Zusammentreffens. Und so ist auch kein heroisches Scheitern des Spektakels zu erkennen, sondern vielmehr ein inspirationsloser, bekannter Provokationsapparat, der sich an diesem Abend leerläuft.
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