Der „Dreiteilige Ballettabend“ von Jacopo Godani und der Frankfurt Dresden Dance Company

Der „Dreiteilige Ballettabend“ von Jacopo Godani und der Dresden Frankfurt Dance Company

Ohne Wenn und Aber

Der „Dreiteilige Ballettabend“ der Dresden Frankfurt Dance Company überzeugt

Der Tanz bezieht seine Kraft aus dem Dialog mit der Musik. Sind es in den beiden ersten Teilen live gespielte Werke von Béla Bartók und Maurice Ravel, so fügt sich zum rasanten Finale die zugespielte elektronische Komposition von 48Nord.

Frankfurt a. Main, 21/11/2016

Der Tanz bezieht seine Kraft aus dem Dialog mit der Musik. Die Musik wiederum setzt eigene Akzente und nimmt dennoch die Schwingungen der Bewegungen auf. Sind es in den beiden ersten Teilen live gespielte Werke von Béla Bartók und Maurice Ravel, so fügt sich hier in besonderer Weise zum rasanten Finale die zugespielte elektronische Komposition von 48Nord.

Jeder der drei Teile folgt einer eigenen Struktur. Zusammen ergibt sich am Ende eine nahezu klassische, dreisätzige Kompositionsform mit der weiträumig angelegten Verschränkung vieler Themen der Eröffnung zum vierten Streichquartett von Bartók, worauf der zarte, besinnliche, fast meditative Teil zu Ravels Sätzen „Ondine“ und „Le Gibet“ aus der Sammlung „Gaspard de la Nuit“ für Klavier in tänzerisch eher solistisch ausgeführter Form folgt.

Im fulminanten Finale mit allen 16 Tänzerinnen und Tänzern der Company wird der elektronische Sound von 48Nord als logische Klangkonsequenz erlebbar, denn sowohl Bartóks Quartett als auch Ravels Klavierstücke erfahren elektronische Verstärkung und somit eine Heranführung an gegenwärtige Hörgewohnheiten außerhalb traditioneller Konzertsäle.

Béla Bartóks viertes Streichquartett in fünf Sätzen von 1928 ist ein rhythmisch und somit geradezu tänzerisch grundiertes Werk. Eine gewisse Nähe zu den Neuerungen der Wiener Schule ist nicht zu überhören, dennoch ist die für den Komponisten typische Besinnung auf die Traditionen der Folklore seiner ungarischen Heimat präsent, obwohl sie nicht so sehr in den Vordergrund gestellt werden. Die beiden ersten Sätze haben zudem einen beunruhigenden, suchenden Charakter. Der wird im langsamen und weiträumig angelegten dritten Satz mit seiner Vielfalt an Motiven zwar nicht gänzlich aufgelöst, bekommt aber stärkere, versöhnliche Ausdrucksweisen. Darauf folgt ein geradezu heiterer, bewegender Satz in Pizzicatotechnik, der vorangegangene Themen aufnimmt und verwandelt. Der Finalsatz erklingt in lebensbejahender, tänzerischer, ins Offene weisender Melodik.

Optisch findet Jacopo Godani eine überzeugende Lösung, denn die Musiker des Streichquartetts, Megumi Kasakawa (Viola), Michael M. Kasper (Violoncello), Jagdish Mistry (Violine) und Diego Ramos Rodriguez (Violine), Mitglieder des renommierten Frankfurter Ensembles Modern, sitzen erhöht auf einem massiven Torgebäude, aus dessen ins Dunkle verschwindendem Portal die Tänzerinnen und Tänzer kommen und wieder zurück gehen. Der Tanz kommt so auch bildhaft aus der Musik und wird mit deren Verklingen wieder im schützenden Raum des Nachklanges geborgen.

Godanis Choreografie nimmt jeweils musikalische, rhythmische und vor allem stimmungsmäßig begründete Klangangebote auf und überträgt sie - geprägt von wiedererkennbaren Eigenheiten seiner Ausdrucksweisen wie der Führung der Arme mit typischen Haltungen der Hände - aus der Musik in die Körpersprache der Tänzerinnen und Tänzer. Dabei stellt er auch immer wieder, mal direkter, mal indirekter, Korrespondenzen zwischen dem Klang und dem Tanz her. Mitunter, im Wechsel solistischer Passagen, kleinerer Gruppen oder großer Bewegungsbilder, entstehen so wunderbare, raumgreifende Klangbilder, die auf magische Weise Musik und Tanz miteinander verschmelzen lassen.

Von ganz anderer Art und dennoch, wie sich im Nachhinein erweisen wird, in feinsinniger Korrespondenz zum ersten steht der zweite Teil des Abends „Echos from a restless Soul“. Der Pianist Ruslan Bezbrozh spielt die beide Sätze aus Ravels Zyklus in engem Kontakt zu den Tänzerinnen und Tänzern, dazu gehören Blickkontakte ebenso wie die Kommunikation des Atems. Es sind die die zarten Sätze der Komposition, die hier erklingen, und Godanis Choreografie betont weniger das Alptraumhafte dieser Musik von 1908 als die sensible Sehnsucht, jenen Alpträumen der Einsamkeit zu entkommen. Zwei Paare - David Leonidas Thiel und Iolanta Filipa Almeida, Gustavo Gomes und Kristýna Němečková - auf der Suche nach sich selbst und zueinander, befinden sich zunächst auf flirrend und fließend leuchtendem Boden, werden dann immer stärker in das sich klarer wandelnde Licht getaucht, bestechen in nahezu klassischen und neoklassischen Disziplinen mit frappierenden Sprung- und Hebevarianten. Dabei hat selbstverständlich der Spitzentanz nicht den geringsten Hauch von Gestrigkeit. Godani nutzt die großartigen Möglichkeiten der Tänzerinnen und Tänzer, sie können weich und zärtlich agieren, aber auch ebenso konsequent ihre Kraft betonen. Es sind Varianten der Suche, des Ankommens und Entkommens, Anlehnung und Ablehnung. Im Einklang mit der Musik Ravels entstehen berührende Bilder menschlicher Zerbrechlichkeit, der schmerzenden Einsamkeit zu zweit, genial gespiegelt im jeweils anderen Paar. Dass dieser so sensible Mittelteil dennoch einen so starken und bewegenden Eindruck hinterlässt, verdankt sich wiederum der Musikalität einer choreografischen Korrespondenz, deren Bilder aus der Musik heraus aufleuchten und mit deren Verklingen verlöschen.

Nach diesen Uraufführungen ist Teil drei eine Wiederaufnahme von „Moto Perpetuo“ zu geradezu symphonischem Sound von 48Nord. Die ganze Company mit ihrem Können ist da auf der Bühne, spitzenmäßig werden klassische Elemente überführt in die Moderne des Tanzes als immer wieder frappierende Erweiterung der Möglichkeiten des körperlichen Ausdrucks. Rasche Wechsel, Soli, Gruppe, verrätselte Bilder und absolute Klarheit choreografischer Ordnungen. Natürlich lassen sich anhand des individuellen Ausdrucks und der so kraftvollen wie sensiblen Facetten aller 16 Tänzerinnen und Tänzer, anhand der choreografischen Wiedererkennbarkeiten des Stils von Godani und des Sounds von Ulrich Müller und Siegfried Rössert, Verbindungen zu den beiden ersten Teilen herstellen. Aber es ist die Fulminanz dieses Finalsatzes, der die bis dahin aufgebaute Dynamik der Zuordnung dieser Kreationen noch einmal voll zur Geltung bringt. Der Abend ist keine Abfolge einzelner Kreationen, die drei Teile ergeben ein Ganzes, ohne Wenn und Aber!
 

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