„Béjart fête Maurice“ beim Béjart Ballet Lausanne

„Béjart fête Maurice“ beim Béjart Ballet Lausanne

Béjart-Kompanie ist frisch und munter

Eine Uraufführung von Gil Roman und eine Hommage an Maurice Béjart in Lausanne

Vor zehn Jahren ist Meister Béjart gestorben. Vor 30 Jahren gründete er das Béjart Ballet Lausanne. Es hat sich bis heute frisch erhalten. Die Uraufführung von Gil Romans „t’M et variations“ im Théâtre de Beaulieu kam sehr gut an.

Lausanne, 18/12/2016

Das Béjart Ballet Lausanne (BBL) hat Grund zum Feiern! 2017 erreicht es das 30. Lebensjahr. Sein Schöpfer Maurice Béjart (1927-2007) ernannte vor seinem Tod den damaligen Startänzer und Chef-Stellvertreter Gil Roman zu seinem Nachfolger. Für die Leitung der Rudra-Schule bestimmte er Michel Gascard. Es waren gute Entscheide. Die Kompanie blieb lebendig, geht weltweit auf Tournee und holt einen Teil ihres Nachwuchses bis heute bei Rudra.

Das jüngste Programm des BBL ist diesen denkwürdigen Daten gewidmet. Eigentlich fand die Premiere im Lausanner Théâtre de Beaulieu zwei Wochen zu früh statt, noch vor dem doppelten Gedenkjahr 2017. Aber schon lange präsentiert das BBL seine neuen Programme inklusive Uraufführungen zuerst in Lausanne - als sogenannte „Avant-Premièren“. Das gilt als Dank dafür, dass die Stadt die Kompanie vor 30 Jahren großzügig aufgenommen hat und bis heute subventioniert. Damals hatte Béjart mit seinem berühmten „Ballet du XXe Siècle“ Brüssel im Streit verlassen müssen.

In den vergangenen Jahren hat das BBL zahlreiche Béjart-Werke, die aus dem Repertoire verschwunden waren, rekonstruiert. Gleichzeitig kreierten Nachwuchschoreografen neue Stücke für die Kompanie. Sie verschwanden bald wieder vom Spielplan. Am besten hielten sich Gil Romans eigene Kreationen. Sein jüngstes Stück nennt sich etwas sibyllinisch „t’M et variations“.

Das im Ganzen sehr reizvolle Stück weckt oft Assoziationen zu Béjarts Werk. Auf einem Podest in einem abgedunkelten Raum machen sich Thierry Hochstätter und jB Meier von „Citypercussion“ breit, einem Westschweizer Duo mit allen möglichen und unmöglichen Schlaginstrumenten. Darunter eine Tafel, auf der sie mit Hölzern herum kratzen – dem sogenannten Scribophone. Vom Tonträger erklingen weitere Geräusche und manchmal ‚echte’ Musik. Ein Gaudi.

Allein oder in Gruppen betreten immer neue Tänzerinnen und Tänzer den erwähnten Saal. In aparten Klamotten wird trainiert, improvisiert, gehechelt und posiert. Eine Szene mit einer jungen Frau, die unentschlossen zwischen zwei Geliebten hin und her pendelt, erinnert an das Liebesdreieck im Film „Jules et Jim“ von François Truffaut. Spitzenschuhe werden selten getragen, dafür binden sie sich Geisha-artige Mädchen vor das Gesicht. Ballett-Brett vor dem Kopf?

Ein Einfall konkurriert den nächsten. Die meist sehr jungen Tanzenden vertiefen sich in kraftvolle Bodenübungen, parodieren den Béjart- und andere Stile. Dabei entwickeln sie gleich pfundweise ihren Charme. Gil Romans „t’M et variations“ ist eine verspielte und gleichzeitig elegant und klug aufgebaute Choreografie.

Nach der Pause folgen unter dem Sammeltitel „Béjart fête Maurice“ zehn Highlights aus teils fast vergessenen Balletten des Meisters.

Am ältesten sind Szenen aus „Bhakti“, entstanden 1968, zu traditioneller indischer Musik. Hier zeichnet sich bereits das typische Vorgehen des Choreografen Béjart ab: Klassischer Tanz auf Spitze, aber auch auf bloßen Füßen. Offen für exotische, mythische oder andere Einflüsse. Shiva, Gott des Tanzes und der Zerstörung, und seine mit Finger-Mudras experimentierende Gattin Shakti (Kateryna Shalkina, Fabrice Gallarrague) betreiben Liebesspiele à la Kamasutra, streiten und versöhnen sich. Die beiden faszinierend tanzenden Figuren werden umlagert von sechs Männern in malerischen Posen. Das ergibt intensive Gesamtbilder, ein bisschen kitschverdächtig, aber halt auch herzbezwingend.

Glücklich wiedererweckt werden Szenen etwa aus „Dibouk“ (1988) mit Jasmine Cammarota und Vito Pansini oder aus „Wien, Wien, nur du allein“ (1982) mit Elisabet Ros und Julien Favreau. Wie Shakira haben auch Ros und Favreau jahrelang noch unter Béjart persönlich gearbeitet. Zusammen mit ihrem heutigen Chef Gil Roman können sie dazu beitragen, Vergangenes wieder neu zu beleben. Sie sind erfahren und wirken authentisch - unschätzbar für die sonst so junge Kompanie.

Nicht alle wieder aufgenommenen Stücke entsprechen heutigem Geschmack. Ein aus „Héliogabale“ (1977) rekonstruierter Pas de deux wird von einem gelenkigen jungen Paar (Alanna Archibald, Jaym O’Esso zwar gut getanzt. Doch wirkt die Choreografie rassistisch oder zumindest gönnerhaft kolonialistisch. Denn die Szene spielt im Urwald, der Junge ist schwarz, das Mädchen braun, ihre Liebesbräuche sind ‚primitiv’.

Anfang und Schluss der Béjart-Hommage bilden Szenen aus „1789... et nous“, entstanden in Lausanne 1989. Zum 4. Satz aus Beethovens erster und zum 3. Satz seiner neunten Sinfonie schwelgt die ganze Kompanie in raumgreifendem Tanz. Zuletzt scharen sich lauter schöne Menschen, die Männer meist mit nacktem Oberkörper, bewundernd und triumphierend um Gil Roman. Genau so, wie man es von früheren Bildern mit Meister Maurice Béjart kennt.

Uraufführung 16.12.16 in Lausanne
 

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