Mantillaschwung, Mitklatschmusik und eine List

„Don Quichot“ bei Het Nationale Ballet Amsterdam bei Arthaus auf DVD

Alexei Ratmansky kreiert einen „Don Quichot“ voller Tempo und Schalk, eine so schmissige Tanzoperette, dass die zwei Stunden Dauer wie im Flug vergehen.

Amsterdam, 21/01/2017

Ganz frisch ist die Aufnahme nicht, die Arthaus in seiner neuen Serie Elegance vorlegt. Dennoch hat es dieser „Don Quichot“ von 2010 mit Het Nationale Ballet aus dem Amsterdamer Musiktheater in sich. Inszeniert und choreografisch ergänzt wurde er von Alexei Ratmansky, der auf das Original von Ballettzar Marius Petipa und eine spätere Redaktion von Alexander Gorski zurückgreift. Wie viel von der Uraufführung 1869 am Bolschoi Moskau, Petipas Überarbeitung aus dem Jahr 1871 sowie Gorskis Neufassung von 1900 eingeflossen ist, bleibt letztlich zweitrangig. Entstanden ist eine Version voller Tempo und Schalk, eine so schmissige Tanzoperette, dass die zwei Stunden Dauer wie im Flug vergehen.

Alle Ingredienzien wirken hier aufs Vorteilhafteste zusammen. Da wäre Jérôme Kaplans wunderbares Bühnenbild. In Quichots Zimmer mit fahrbaren Bücherregalen wird der Don zum liebenswert verschrobenen Ritter; auf dem Marktplatz eines lichtblau überstrahlten Barcelona mischt er sich in die Kuppelei ein, mit der Kitri dem falschen Freier zugeschachert werden soll. Eine nächtliche Berglandschaft wird romantische Zuflucht des entwichenen Liebespaars, ehe der Don in einem Lianenwald seinen Dryadentraum erlebt. Vor flammendem Abendrot hinter Girlanden schließlich soll Kitri vermählt werden, durch eine List dann sogar an den Richtigen. Quichot und sein Diener ziehen indes gravitätisch neuen Abenteuern entgegen. Ähnlich farbenfroh und erlesen fallen Kaplans Kostüme aus – eben ein Könner am Werk.

Ratmansky inszeniert überaus dicht, stets lebendig im Spiel, mit bemerkenswert leichter Hand und auch einer gehörigen Portion Ironie. Nirgendwo verselbstständigt sich der Tanz zuungunsten der Erzählung, vielmehr treibt er stets die Handlung voran. Und die Musik? Viel Tiefe besitzt nicht, was Ludwig Minkus und spätere Zubringer beigesteuert haben. Den Tanz grundiert sie jedoch perfekt und reißt in ihrem spanischen Kolorit und den raschen Rhythmuswechseln mit, zumal wenn sie mit so viel Lust, Laune und Elan gespielt wird wie von der Holland Sinfonie unter Kevin Rhodes.

Blieben die Tänzer. Was sie leisten, weist Hollands Nationalballett ein weiteres Mal als Gralshüter der Ballettklassik aus. Bis in die Ensembleszenen und die teils rasanten Gruppentänze beweist die international besetzte Kompanie gediegenes Können und beste Schulung. Ein strahlendes Solopaar steht ihr vor: Matthew Golding, inzwischen Principal beim Royal Ballet London, dreht, springt und hebt als Basilio wie der Teufel, gestaltet souverän und ohne jede technische Forcierung; auch die Kitri der Anna Tsygankova hat spanisches Feuer im Blut, meistert Finessen wie ihre fouettés mit double tours zwischendrin ohne Platzveränderung und ist die rechte Braut für den armen und doch so reichen Barbier.

Moises Martin Cintas begeistert als Espada durch straffe Haltung bis in den Kopfruck und ist der Mercedes der Natalia Hoffmann ein brillanter Partner. Als geflügelter Cupido eilt Maia Makhateli verschmitzt über die Szene, als Dryadenkönigin bleibt Sasha Mukhamedov selbst in den tours piqués en manège punktgenau an der Musik. Ein Coup ist Ratmansky in der Besetzung des Titelparts gelungen. Peter de Jong als Don Quichot und Karel de Rooij als sein getreuer Sancho Pansa, beide namhafte Schauspieler, statten ihre Figuren mit so viel Charisma aus, dass sie sich nahtlos organisch in den Zauber einer Inszenierung auf allerhöchstem Standard eingliedern. Kein blutleerer Ritter von der traurigen Gestalt, sondern ein gutmütiger Helfer für alle Fälle und sein herzerwärmend komischer Assistent.

Alexei Ratmansky: „Don Quichot“, Ballett in drei Akten, Het Nationale Ballet, Amsterdam 2010, Arthaus 2016, 122 Min. + 30 Min. Bonus

 

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