„Bolero“ von Stefan Thoss. Tanz: Ensemble.

„Bolero“ von Stefan Thoss. Tanz: Ensemble.

Die jungen Männer, die älteren Damen

Zum neuen dreiteiligen Mannheimer Ballettabend „New Steps – Bolero“

Der neue Ballettchef Thoss wählte seinen „Bolero“ (1999) als „Rausschmeißer“ mit Erfolgsgarantie für einen dreiteiligen Ballettabend aus, bei dem er sich für die beiden ersten Teile zugunsten ehemaliger Ensemblemitglieder mutig aus dem Fenster lehnt.

Mannheim, 06/02/2017

Ravels „Bolero“ ist eines der Ballettstücke schlechthin. Komponiert als Auftragsarbeit für Ida Rubinstein, war das ungewöhnliche Musikstück schon bei der Premiere (1928) ein sensationeller Erfolg. Eine andere legendäre Choreografie aber legte den Finger noch deutlicher auf die Wirkung der Musik: Maurice Béjart gab 1961 der unterschwelligen erotischen Spannung eine höchst wirkungsvolle Gestalt; die Choreografie steht gerade wieder in Stuttgart auf dem Spielplan.

Der neue Mannheimer Ballettchef Stephan Thoss hatte bereits 1999 mit einer komischen Interpretation des „Boleros“ die gängige Interpretation des musikalischen Gassenhauers gegen den Strich gebürstet, mit durchschlagendem Erfolg. Die witzige, mit detailgenauer Charakterzeichnung glänzende Darstellung eines außer Rand und Band geratenen Kaffeekränzchens älterer Damen wurde vielfach nachgespielt. Jetzt wählte Thoss das Stück als „Rausschmeißer“ mit Erfolgsgarantie für einen dreiteiligen Ballettabend aus, bei dem er sich für die beiden ersten Teile zugunsten ehemaliger Ensemblemitglieder mutig aus dem Fenster gelehnt hatte: Die beiden Choreografen der vorausgehenden Uraufführungen waren ehemals Tänzer bei Stephan Thoss.
Der italienische Tänzer und Choreograf Guiseppe Spota ist ein Doppel-Ausnahmetalent. Für seine Hauptrolle in einem Thoss-Stück wurde er sogar mit dem den FAUST-Theaterpreis ausgezeichnet. Inzwischen hat er sich ganz auf die Choreografie-Seite geschlagen – mit sensationellem Ergebnis. Zum neuen Mannheimer Ballettabend „New Steps – Bolero“ steuerte er mit „ClairdeL’UNE“ ein kleines Meisterwerk bei.

Man könnte auf die Idee kommen, dass es allmählich schwer wird, zur universalen Thematik „Boy meets Girl“ (oder umgekehrt) einen originellen Beitrag zu leisten. Spota hat das tatsächlich geschafft – mit einem Stück, bei dem Tanz (für die ganze fünfzehnköpfige Truppe), Musik (Greg Haines, Armand Amar und Debussy), Bühne, Kostüme und Licht einen phantastischen Traum-Raum bilden. Das Thema ist, natürlich, die sehnsuchtsvolle Suche nach der Einen oder dem Einen, der fernvertrauten Gestalt. Guiseppe Spota lässt aus einer verblüffend organisch agierenden, variationsreich in Schwarz gekleideten Gruppe kurzzeitig einzelne Suchende und Paare ausscheren und das immerwährende Thema Nähe und Abstand phantasievoll variieren. Am Ende steht ein sanftes, bewegendes Duett von Ayumid Sagawa und David Lukas Hemm, bei dem das Wortspiel des Titels, das den Mondschein und die Suche nach „der Einen“, treffsicher umgesetzt wird.

Nach diesem fulminanten Auftakt des Abends hatte Felix Landerer mit seinem Männerstück „WinnerLooser“ (zu einer Auftragskomposition von Christof Litmann) keinen leichten Stand. Seine Suche nach dem Selbstverständnis der Männer wollte Klischees vermeiden, konnte ihnen aber doch nicht so recht entkommen. Männer müssen kämpfen, posieren und gewinnen – dafür fällt es ihnen schwer, Gefühle zuzulassen, Verletzlichkeit zuzugeben und Zärtlichkeiten zu wagen. Das hat Felix Landerer zwar eindeutig und bühnenwirksam umgesetzt, aber das Stück bleibt doch sehr an der Oberfläche der Gender-Thematik.

Der furiose Auftritt der sechs älteren Damen, denen der Bolero buchstäblich in die Glieder fährt, beschloss einen ungewöhnlich zusammengestellten Tanzabend, der eine große stilistische Bandbreite zusammenschnürt. Die für diese Spielzeit überwiegend neu besetzte Kompanie wirkte bei allem Facettenreichtum dagegen erstaunlich homogen – ein Tanzabend, der unter anderem höchst neugierig macht auf alles, was da noch kommen kann.

 

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