„Bow“ von Goyo Montero. Tanz: Sayako Kado.

„Bow“ von Goyo Montero. Tanz: Sayako Kado.

Ballettstars auf der Bühne

3. Internationale Ballettgala am Staatstheater Nürnberg

Einen zauberhaften Anfang bescherte Sayako Kado mit „Bow“ und setzte damit eines von Monteros Hauptthemen: die Geworfenheit des Menschen zwischen Himmel und Erde und die Sehnsucht nach deren Überwindung.

Nürnberg, 13/03/2017

Einen zauberhaften Anfang bescherte Sayako Kado. „Bow“ von Goyo Montero, geschaffen für den Prix de Lausanne, wirkt wie ein graublauer Tupfen in großer Weite. Exakt im Dialog mit Musik von Arcangelo Corelli vermag die zuletzt mit dem bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnete Japanerin mit schnörkelloser Präzision die komplexe Bewegungsfolge gestochen Form und Fluss werden lassen. Eines von Monteros Hauptthemen ist gesetzt: die Geworfenheit des Menschen zwischen Himmel und Erde und die Sehnsucht nach deren Überwindung. Als ob die Bewegungskomposition eine lange Passage bildet, durchweht Kado diese mit überraschenden Richtungswechseln und kleinen Verwirbelungen, bis sie schlicht gehend die Bühne verlässt. Man gerät versunken ins Nachdenken über den Tanz bei dieser grandiosen dritten internationalen Ballettgala, zu der die Ballettfreunde des Staatstheaters geladen haben. Bei Kado scheint es, als ob die Bewegungen nicht mit dem ersten Klang einsetzen, sondern bereits sehr lange zuvor existieren und sich dauernd, die Zeiten überwindend, formulieren. Am Ende bildet der Zeitabschnitt der Nürnberger Gala am Wochenende nur jene Folie, auf der sie sichtbar werden.

Das kurze, in die Ferne führende Stück bildet mit dem atemberaubenden Schluss der Ballettgala eine überraschende, aber dramaturgisch schlüssige Klammer. Wo andere Kompanien mit Werken des klassischen Repertoires beginnen, um zeitgenössisch zu enden, machen es die Nürnberger andersherum. Ksenia Ryzhkowa und Osiel Gouneo, die neuen Stars des Bayerischen Staatsballetts, tanzten den Grand Pas de deux aus Marius Petipas „Don Quixote“ und zelebrierten dabei, selten in Nürnberg, am Ende des formidablen Programms die Herrlichkeit des klassischen Tanzes. Als dessen zentrale Aspekte faszinieren seit jeher die Überwindung der Schwerkraft und das Emporstreben in die Transzendenz – ein vieldeutiger, thematischer Gleichklang zu „Bow“. Vor allem Gouneo, dem der Himmel ein außergewöhnliches Talent zum Sprung geschenkt und das Leben den Willen zur Entwicklung einer superben Tanztechnik in die Hände gelegt hat, war in diesem Zusammenhang als Tänzer, schlicht gesagt, eine Wucht. Hier knüpft einer an die legendäre Reihe weltweit außergewöhnlicher Tänzer wie Nurejew, Baryschnikow, Malakhov, Acosta, Vogel oder Polunin an.

Souverän mithalten konnte sein Kollege Alexander Campbell vom Royal Ballet in London gemeinsam mit seiner Partnerin Yuhui Choe. Formvollendet ihr Grand Pas de deux aus Arthus Saint-Leóns „Coppelia“; betörend ihr nicht endender wollender Tanz in „Within the hour“ von Christopher Weeldon, dessen Handschrift damit erstmals in Nürnberg zu sehen war und das die Pforte über das Nachdenken über das Wesen des Tanz abermals weit öffnete. Es ist nicht immer das Ephemere, das Flüchtige, das Tanz so spannend macht. Es ist, wie diese Gala den Gedanken zu entwickeln hilft, dessen Immaterialität, die aber die Materialität der Form, des Körpers, seiner Bewegungen und der Kenntnisse seiner Schöpfer über die Wirkung von Körper, Form und Bewegung braucht, um als unsichtbare Episode oder ganze Erzählung in der Fantasie des Betrachters entstehen zu dürfen. Immer wieder in bewegter Umarmung verbleibend, von der Bühne gehend und wieder zurückkehrend, inszenieren Campbell und Choe den Tanz am Ende als Metapher der Widerkehr des immer Gleichen.

Von Klasse sind schließlich ebenso die Auftritte der Kollegen von der Semperoper in Dresden. Anna Merkulova und István Simon exerzierten souverän mit „New Sleep“ Tanz von William Forsythe, um im Anschluss erstmals in Nürnberg mit „Sweet Spell of Oblivion“ eine berührende Choreografie von David Dawson zum Leben zu erwecken. Nicht zu kurz kam die Ensemblearbeit. In Christian Spucks rätselhaft-betörendem Stück „das siebte blau“ hat das Ensemble des Staatstheaters, das das anspruchsvolle Werk erst vor einigen Monaten erobern durfte, nun souverän hineingefunden, wie die Wiederaufnahme des nahezu nur aus Srpüngen und Drehungen bestehenden 3. Satzes bei der Gala bewies. Gekonnt arbeiteten die Kompanie Spucks Ironie in dem Werk aus, seine Persiflage auf das Corps im Ballett, aus dessen Reihe keiner tanzen darf.

Ans Herz ging der Ausschnitt aus Monteros letzter Premiere „Monade“ zu Kantaten von Bach sowie das Pendant zu „Bow“, Monteros Männersolo „Grinding The Teth“, getanzt von Luis Tena. Interessante Neuentdeckungen boten die Stücke von Juanjo Arques und Vasko Wellenkamp für das Portugiesische Nationalballett. James Sutherland lieferte schließlich mit dem burschikos-urbanen Frauenduett „Same Time Tomorrow“ einen Beitrag, der zeigt, wie weit der Tanz in die zeitgenössische Formensprache hineingegangen ist.

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